Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit jährlich 6 % ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig
Wie am 18.08.2021 bekannt wurde, hat das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2021, Az. 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen verfassungswidrig ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird.
Hintergrund des Urteils
Bisher wurden Steuernachforderungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 %, also 6 % p.a., nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten verzinst. Diese 6 % p.a. galten unverändert seit 1961, also seit mehr als 60 Jahren, und waren besonders seit Beginn der anhaltenden Niedrigzinsphase ab dem Jahr 2008 immer mehr in Kritik geraten.
In verschiedenen Prozessen testete das Bundesverfassungsgericht die Grenzen der Verfassungswidrigkeit und entschied für die Jahre 2010 bis 2013, dass für diese – wohl gerade noch – von einer Zulässigkeit der geltenden Verzinsung auszugehen sei.
Ab dem Jahr 2014 ist die Hürde nun gefallen, denn ab 2014 sieht das Bundesverfassungsgericht keine Rechtfertigung mehr für das grobe Missverhältnis zwischen den niedrigen Zinsen in der freien Wirtschaft und dem „evident realitätsfernen“ Zinssatz der Finanzverwaltung.
Das bisherige Recht ist nach dem Bundesverfassungsgericht für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die Vorschriften dagegen unanwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.
Auswirkungen
Für den Großteil der Steuerpflichtigen wird die Neuregelung zu einer Erleichterung führen, da die Belastung mit völlig überzogenen Zinsforderungen deutlich reduziert werden sollte. Zugleich verbleibt ein Wehmutstropfen für alle, die regelmäßig Steuererstattungen erwarten konnten, denn auch die hohen Zinsen auf Erstattungen werden zukünftig geringer ausfallen.