Arbeitsrecht
Rechtsprechung – Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall; Beweislast des Arbeitnehmers bei Berufen des Arbeitgebers auf den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls
Nach dem sog. „Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls“ ist der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG), wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit hinzutritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Ein erneuter Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht demnach nur dann, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte.
Das BAG hatte mit Urteil vom 11.12.2019 (Az. 5 AZR 505/18) über die Revision einer Arbeitnehmerin zu entscheiden, die aufgrund einer psychischen Erkrankung vom 07.02.2017 bis einschließlich 18.05.2017 arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Der Arbeitgeber leistete zunächst Entgeltfortzahlung; anschließend bezog die Arbeitnehmerin Krankengeld. Am 19.05.2017 unterzog sich die Klägerin einer Operation. Ihre behandelnde Ärztin bescheinigte ihr daraufhin am 18.05.2017 als „Erstbescheinigung“ eine Arbeitsunfähigkeit ab 19.05.2017. Der beklagte Arbeitgeber war der Ansicht, es läge Einheit des Verhinderungsfalls vor und leistete keine Entgeltfortzahlung. Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin. Während sie in erster Instanz obsiegte, wies das LAG Niedersachsen ihre Klage ab.
Das BAG entschied, dass die Arbeitnehmerin darzulegen und zu beweisen habe, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte. Das LAG hatte durch Vernehmung der behandelnden Ärzte umfassend Beweis erhoben. Danach konnte nicht festgestellt werden, dass die erste krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bereits beendet war, als die neue Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte. Die Revision war somit nicht erfolgreich; der Arbeitgeber muss für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht erneut für sechs Wochen Entgeltfortzahlung leisten.