Immobilien- & Baurecht
Die Überwachungspflicht des Architekten – Ein Überblick
Ein unerschöpfliches Thema der Rechtsprechung ist die Überwachungspflicht des Architekten, der die Leistungsphase 8 der HOAI, d. h. die Bauüberwachung, übernommen hat.
1. Zur grundsätzlichen Interessenlage
Treten bei einem Bauwerk Mängel auf, ist der bauüberwachende Architekt in aller Regel der interessantere Haftungspartner als das bauausführende Unternehmen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Bauunternehmer möglicherweise bereits insolvent ist und der Architekt eine finanzstarke Versicherung „im Rücken“ hat. Es ist grundsätzlich möglich, (auch) den Architekten für Mängel haftbar zu machen, wenn ihm ein Überwachungsverschulden nachgewiesen werden kann. Architekt und bauausführendes Unternehmen haften dann als Gesamtschuldner. Dieses Überwachungsverschulden muss sich auf tatsächlich überwachungspflichtige Bauleistungen beziehen.
2. Die Überwachungspflicht im Einzelnen
Eine uneingeschränkte Überwachungspflicht des Architekten würde – der Sache nach – letztlich auf eine Garantiehaftung des Architekten hinauslaufen. Dies wäre dann der Fall, wenn dem Architekten bei jedem Defizit der Bauausführung, das zu einem Mangel führt, eine nicht hinreichende Überwachung eben dieser Leistung vorgeworfen werden könnte.
Eine so weitreichende Haftung lehnt die Rechtsprechung einhellig ab.
Exemplarisch lässt sich dies an dem Urteil des OLG Köln vom 05.10.2016 (Az.: 11 U 21/15) verdeutlichen. In dem insoweit zu entscheidenden Fall ging es um Leistungen, die man sich auch tatsächlich kaum „schlichter“ und „einfacher“ vorstellen kann, nämlich Malerarbeiten an Holzbalken. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BGH unter Obergerichte urteilte das Oberlandesgericht Köln wie folgt:
- Das Aufbringen von Hartwachsöl stellt eine einfache Tätigkeit dar, deren Beherrschung von einem Malerbetrieb erwartet werden kann und die deshalb nicht besonders überwachungspflichtig ist.
- Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe eines Architekten, ohne besondere Umstände den Einsatz eines vertraglich eindeutig bezeichneten Materials zu überprüfen. Auf die Verwendung des vom Malerbetrieb angebotenen und beauftragten Anstrichs kann sich der Architekt regelmäßig verlassen.
- Eine Überwachungspflicht für Selbstverständlichkeiten kann nur angenommen werden, wenn Zweifel bestehen, ob der Bauunternehmer die Vereinbarung einhalten wird, weil sie vom üblichen Ablauf abweicht oder der Bauunternehmer erkennbar unzuverlässig ist.
Das Schlüsselwort der Rechtsprechung ist insoweit die „Selbstverständlichkeit“ oder die „handwerkliche Selbstverständlichkeit“. Soweit handwerkliche Selbstverständlichkeiten „abgearbeitet“ werden, schuldet der Architekt keine ständige Überwachung, sondern allenfalls Stichproben.
Dies ändert sich erst dann, wenn es handfeste Indizien der Überforderung des entsprechenden Bauunternehmers gibt.
Der Architekt schuldet grundsätzlich, wie jeder Werkunternehmer, ein mängelfreies und funktionstaugliches Werk. Als Architekt schuldet er daher - im Umfang der Beauftragung - eine mangelfreie und funktionstaugliche Planung und übernimmt mit der Objektüberwachung die Verpflichtung, das Bauwerk frei von Mängeln entstehen zu lassen und dazu das ihm Zumutbare beizutragen.
Er muss deshalb auf die Übereinstimmung der Ausführung des Bauvorhabens mit den jeweiligen Ausführungsplänen, Leistungsbeschreibungen und den anerkannten Regeln der Technik achten. Die ständige Anwesenheit des Architekten auf der Baustelle ist nicht notwendig. Die Aufsicht durch den Architekten oder durch zuverlässige Mitarbeiter ist aber gefordert, wenn es sich um wichtige Bauvorgänge handelt, die für die Erreichung der Bauaufgabe von wesentlicher Bedeutung sind.
Dies ist beispielsweise bei Abdichtungs- und Isolierarbeiten (vgl. BGH, Urteil vom 15. 6. 2000 - VII ZR 212/99 (Celle); OLG Hamm, 24.10.1989 - 24 U 27/89 (BauR 1990, 638)); Verarbeitung neuer Baustoffe und vorgefertigter Teile (BGH, Urteil vom 30.10.1975 - VII ZR 309/74) sowie Ausschachtungsarbeiten (BGH, Urteil vom 9. 11. 2000 - VII ZR 362/99 (KG)) der Fall.
Handwerkliche Selbstverständlichkeiten bei allgemein üblichen, gängigen und einfachen Bauarbeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, braucht der Architekt im Zweifel nicht zu überwachen. Insoweit darf er sich zu einem gewissen Grad auf die Zuverlässigkeit und ordnungsgemäße unternehmerische Bauausführung verlassen (OLG Schleswig, 27.05.2011 - 17 U 36/10; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rn. 2015).
Etwas anderes gilt nur, wenn es sich erkennbar um unzuverlässige, wenig sachkundige oder erkennbar unsichere Bauunternehmer handelt (Werner/Pastor, a.a.O.). In solchen Fällen verschärft sich die Überwachungspflicht des Architekten und er muss sich immer wieder überzeugen, dass dieser wenig sachkundige Auftragnehmer seine Leistungen ordnungsgemäß erbringt.