IT/Datenschutz
Die neue Digitale-Inhalte-Richtlinie – Umdenken für die digitale Branche?
Im Mai 2019 hat die EU die Richtlinie 2019/770 „über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ (Digitale-Inhalte-RL) erlassen. Sie betrifft praktisch alle Verträge im B2C-Bereich, in denen es um digitale Güter geht. Für die Unternehmen der Branche stehen daher teilweise erhebliche rechtliche Änderungen am Horizont.
Dabei ist ganz egal, wie diese Güter vertrieben werden. Verkauf, SaaS, Webapplikation, das macht für den europäischen Gesetzgeber keinen Unterschied. Entscheidend ist, ob das Produkt ein digitaler Inhalt oder eine digitale Dienstleistung ist. Die Richtlinie legt nahe, diese Begriffe weit zu verstehen. Auch unentgeltliche Dienste wie soziale Netzwerke, deren Geschäftsmodell auf der Bereitstellung personenbezogener Daten basiert, werden erfasst.
Auf was muss sich der Unternehmer gefasst machen? Vor allem darauf, dass ein Produkt nur noch vertragsgemäß ist, wenn es eine ganze Reihe objektiver Leistungsmerkmale hat. Das ist eine Abkehr vom bisherigen System des § 434 BGB, in dem es vor allem auf das subjektive, d.h. das vertraglich Vereinbarte ankommt.
Leistungsmerkmale sind unter anderem Funktionalität, Kompatibilität, Kontinuität und Sicherheit. Der Verkäufer muss liefern, was der Verbraucher bei Gütern der jeweiligen Art „vernünftigerweise erwarten kann“. Erstmals wird der Verkäufer auch zur Bereitstellung von Updates verpflichtet. Bisher galt, dass praktisch nur der (rechtmäßige) Inhalt des Vertrages den Leistungsumfang bestimmt. Was das im Einzelnen bedeutet ist unklar und wird von der Rechtsprechung erst bestimmt werden müssen. Abstrakt kommt es dabei vor allem auf die Standards der jeweiligen Branche an. Eine Arztpraxissoftware muss mehr Sicherheit liefern als ein Computerspiel, ein CAD-Programm muss mehr Funktionen bereithalten als ein Texteditor. Auch Inhalte der Werbung spielen eine Rolle.
Wichtig ist: Diese objektiven Anforderungen kann der Unternehmer nicht im Rahmen von AGBs abbedingen. Sie gelten nur dann nicht, wenn er die Abweichung schon bei Vertragsschluss nennt und der Verbraucher ihr in einer gesonderten Erklärung ausdrücklich zustimmt.
Die guten Nachrichten: Eine EU-Richtlinie gilt nicht unmittelbar. Der deutsche Gesetzgeber muss sie erst in das nationale Gesetz umsetzen, und dieses Verfahren hat gerade erst begonnen. Die Vorgabe der EU: Bis zum 01.01.2022 muss die Richtlinie (auch) in Deutschland umgesetzt und anwendbar sein. Als Unternehmer, der digitale Inhalte oder Dienstleistungen vertreibt ist man aber gut beraten, sich schon jetzt Gedanken zu machen, was sie für das eigene Geschäft bedeutet.
Anmerkung: Im Paket mit der RL 2019/770 hat die EU auch die RL 2019/771, die Warenkauf-Richtlinie erlassen. Wen diese Richtlinie betrifft und was sie bedeutet, werden wir in Kürze in einem zweiten Beitrag erläutern.