Immobilien- & Baurecht
Keine Kündigung des Mietverhältnisses bei Mietschulden während der Corona-Krise
Die Corona-Pandemie hat immer weitreichendere Auswirkungen auf das öffentliche und private Leben in Deutschland - die rechtlichen Verpflichtungen, insbesondere die Pflicht zur Mietzahlung (vgl. hierzu unseren Beitrag vom 18.03.2020) bleiben jedoch auch in der Corona-Krise bislang bestehen. Das will die Bundesregierung nun ändern und hat einen umfassenden Gesetzesentwurf (Stand 21.03.2020, 20:40 Uhr) vorbereitet, der heute (23.03.2020) vom Bundeskabinett und am Mittwoch, 25.03.2020, im Bundestag beschlossen werden soll (vgl. auch unseren Beitrag zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 19.03.2020).
Derzeit kann ein Vermieter das Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB unter anderem dann kündigen, wenn zwei Monate in Folge keine Miete gezahlt wird. Ziel der Bundesregierung ist es, wie Bundesjustizministerin Christine Lambrecht sagt, dass niemand seine Wohnung verlieren soll, "weil er infolge der Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist". Das Gleiche solle für die Versorgung mit Strom und Wasser gelten.
So sieht der Gesetzesentwurf vor:
- Mietschulden aus den kommenden Monaten stellen weder einen Kündigungsgrund zur außerordentlichen noch zur ordentlichen Kündigung dar.
- Gelten soll dies für Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2020; es gibt jedoch die Möglichkeit einer Verlängerung des Zeitraums durch Verordnung der Bundesregierung bis höchstens 31. März 2021, wenn sich herausstellen sollte, dass der Zeitraum von April bis September 2020 nicht ausreichend ist.
- Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Grundsatz bestehen. Im Hinblick auf den Kündigungsschutz ist derzeit noch offen, ob der Mieter den Zusammenhang zwischen Zahlungsrückstand und Corona-Pandemie glaubhaft machen muss oder ob ein solcher Zusammenhang vermutet wird; im letzteren Fall obläge es dem Vermieter, diese Vermutung im Streitfall zu widerlegen.
- Die Mieter haben Zeit, die Mietrückstände aus dem vorgenannten Zeitraum bis zum 30.09.2022 auszugleichen; erst ab dem 01.10.2022 soll eine Kündigung dann auf solche Mietrückstände gestützt werden können.
- Dies gilt sowohl für die Wohnraummiete als auch für Gewerbemietverträge und Pachtverträge.
- Sämtliche weiteren Kündigungsrechte bleiben bestehen. Dem Vermieter bleibt es damit insbesondere unbenommen, das Mietverhältnis aufgrund von Mietrückständen zu kündigen, die in einem früheren Zeitraum aufgelaufen sind bzw. die aus einem späteren Zeitraum resultieren werden. Er kann die Kündigung zudem auch aus sonstigen Gründen erklären, etwa wegen Vertragsverletzungen anderer Art (z.B. unbefugter Überlassung der Mietsache an Dritte) oder wegen Eigenbedarfs.
- Für Gewerbemietverhältnisse, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen sind, bleibt nach § 580a BGB eine ordentliche Kündigung ohne Kündigungsgrund weiterhin möglich.
Auch weiteren Schuldnern, die wegen der Corona-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, sollen nach dem Gesetzesentwurf keine rechtlichen Folgen drohen. Bei Darlehen wird es z.B. eine gesetzliche Stundungsregelung geben (ob nur bei Verbraucherdarlehen oder auch bei Darlehen mit Kleinstunternehmern und KMUs ist noch unklar).
Der Gesetzesentwurf wird von den Verbänden weitgehend begrüßt; es gibt aber auch kritische Stimmen, die darauf hinweisen, dass Vermieter nicht allein gelassen werden dürfen. Zum einen sind viele Vermieter auf die Mieteinnahmen angewiesen, zum anderen erledigen sich aufgestaute Mietschulden nach Ende der Kündigungssperre nicht von allein.
Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz in dieser Form oder mit Änderungen durch den Bundestag beschlossen wird; allein der final beschlossene Gesetzestext ist maßgeblich für eine sichere Einschätzung.
UPDATE (Stand 22.03.2020, 10:00 Uhr):
- Geltungszeitraum für das Leistungsverweigerungsrecht: nur noch 01.04. bis 30.06.2020
- Zahlungsfrist für den Mieter zum Ausgleich der Rückstände bis zum 30.06.2022
- Zusammenhang zwischen Pandemie und Zahlungsrückstand ist glaubhaft zu machen
- Regierung kann Zeitraum durch Verordnung nur bis zum 30.09.2020 verlängern
- Der Mieter ist bis 30.06.2022 (mithin zwei Jahre) vor einer Kündigung auf Grund dieses Mietrückstandes aus der Zeit 01.04.2020 bis 30.06.2020 geschützt.
Es obliegt dem Mieter, den Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und seiner Nichtleistung der Miete im Streitfall glaubhaft zu machen. Nach der Gesetzesvorlage muss der Mieter hierfür Tatsachen vortragen, aus welchen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass seine Nichtleistung auf der COVID-19-Pandemie beruht.
Zur Glaubhaftmachung kann sich der Mieter insbesondere folgender Mittel bedienen:
- Versicherung an Eides statt,
- Nachweis der Antragsstellung bzw. die Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen,
- Bescheinigungen des Arbeitsgebers oder andere Nachweise über das Einkommen beziehungsweise über den Verdienstausfall,
- bei Mietern von Gewerbeimmobilien auch der Hinweis darauf, dass der Betrieb ihres Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist (z.B. Gaststätten, Hotels etc.).
In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt gegenüber einer Behörde oder einem Gericht einen Straftatbestand darstellt. Im Streitfall zwischen Vermieter und Mieter über die Richtigkeit der Glaubhaftmachung kann eine wahrheitswidrige Versicherung des Mieters an Eides statt daher auch für diesen strafrechtliche Konsequenzen haben.