Arbeitsrecht
Corona Virus – Update Arbeitsrecht
Der heutige Beitrag aktualisiert unseren ersten Beitrag in diesem Blog vom 15.03.2020 zu den Auswirkungen des Corona Virus und soll Ihnen in dieser sehr dynamischen Entwicklung weitere Orientierung geben, bspw. zu dem Thema Kurzarbeit und anderen diskutierten Instrumenten, die Krise zu durchstehen.
1. Anordnung von Betriebsferien
Ohne Vereinbarung im Arbeitsvertrag darf der Arbeitgeber bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe einseitig (bezahlte) Betriebsferien kraft seines Weisungsrechts anordnen. Wir gehen davon aus, dass diese Situation bei durch Corona bedingten Betriebsschließungen gegeben ist. Den Arbeitnehmern sollte aber ein von ihnen frei zu bestimmender Resturlaub von 2/5 des Jahresurlaubs verbleiben. Existiert ein Betriebsrat, ist dessen Zustimmung einzuholen und zwar auch über die zeitliche Lage und die Dauer der Betriebsferien. Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und auch Arbeitsverträge können schon Regelungen vorsehen, die bei der Anordnung von Betriebsferien zu beachten sind.
2. Anordnung von mobilem Arbeiten
Der Arbeitgeber ist befugt, jedenfalls vorübergehend das mobile Arbeiten anzuweisen, also den Ort, an dem die geschuldete Tätigkeit verrichtet werden soll, einseitig zu bestimmen. Hier besteht nach § 106 Gewerbeordnung in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag ein Weisungsrecht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber bestimmt also grundsätzlich, wo gearbeitet werden soll. Eine Beschränkung dieses Weisungsrechts kann sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Das mobile Arbeiten ist begrifflich und rechtlich nicht mit dem sog. Home Office, also dem fest eingerichteten Arbeitsplatz in der Wohnung des Arbeitnehmers, gleichzusetzen. Für dieses „Home Office“ gelten strengere Regeln, z.B. in Bezug auf den Arbeitsschutz, und es bedarf einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer.
Auch das mobile Arbeiten darf nicht dauerhaft bzw. längerfristig angeordnet werden, sonst würde damit letztlich eine Home Office-Lösung gegen den Willen des Mitarbeiters eingeführt werden. Im Falle der Corona-Pandemie geht es aber um eine zeitlich begrenzte Maßnahme, die zudem den Einsatz als mobiles Arbeiten nicht per se nur in der eigenen Wohnung anweist und auch keine Zutrittsrechte des Arbeitgebers in die Wohnung des Arbeitnehmers gewährt. Die Anweisung soll dem Gesundheitsschutz aller Mitarbeiter wie auch der Funktionsfähigkeit des Unternehmens dienen. Der Arbeitgeber kommt durch diese vorübergehende präventive Maßnahme seinen Schutz- und Fürsorgepflichten nach. All dies spricht für die Zulässigkeit dieser Maßnahme als einseitige Anordnung des Arbeitgebers.
Besteht ein Betriebsrat, sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten. Hier zwei Beispiele: Die Anordnung des mobilen Arbeitens und damit die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs stellt eine zustimmungspflichtige Versetzung im Sinne von § 95 Abs.3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) dar, wenn diese personelle Maßnahme länger als einen Monat dauern soll. Ist das mobile Arbeitsgerät mit der IT-Struktur des Arbeitgebers verbunden und ermöglicht dies, bspw. die Arbeitszeit zu erfassen, so besteht zudem ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs.1 Nr.6 BetrVG.
3. Vergütungsansprüche: Krankheit, Quarantäne, Wegerisiko, Betriebsrisiko und Kurzarbeit
a) Erkrankung des Mitarbeiters
Ist der Mitarbeiter infolge einer Corona-Infektion erkrankt, besteht grundsätzlich der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung von bis zu sechs Wochen gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Voraussetzung ist, dass den Mitarbeiter kein Verschulden an seiner Arbeitsunfähigkeit trifft, zum Beispiel eine Reise in ein Risikogebiet trotz Reisewarnung. Arbeitgeber, die in der Regel nicht mehr als 30 Beschäftigte haben, erhalten eine Erstattung nach §§ 1, 2 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) in Höhe von 80% des fortgezahlten Arbeitsentgelts einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung von den Krankenkassen.
b) Wegerisiko
Die Mitarbeiter verlieren ersatzlos ihren Vergütungsanspruch, wenn sie bspw. wegen einer Einschränkung des öffentlichen Nahverkehrs die Arbeit nicht oder nicht rechtzeitig aufnehmen können.
c) Behördliches Eingreifen
Wahrscheinlich weitgehend unbekannt sind die Auswirkungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Gemäß §§ 30 und 31 IfSG kann die zuständige Behörde für „Ausscheider, Ansteckungsverdächtige bzw. Krankheitsverdächtige“ Quarantäne bzw. ein berufliches Tätigkeitsverbot anordnen. In diesem Fall schuldet der Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung. Der Arbeitnehmer hat einen Entschädigungsanspruch gem. § 56 IfSG Für bis zu sechs Wochen besteht ein Entschädigungsanspruch in Höhe des Verdienstausfalls und ab der siebten Woche entsprechend der Höhe des Krankengeldes, allerdings begrenzt auf 109,38 € täglich (Stand 2020). In den ersten 6 Wochen übernimmt der Arbeitgeber die Auszahlung der Entschädigung. Auf Antrag erhält der Arbeitgeber eine entsprechende Erstattung, § 56 Abs.5 IfSG.
d) „freiwillige“ Schließung des Betriebes
Entscheidet sich der Arbeitgeber aus eigener Initiative dazu, den Betrieb teilweise oder vollständig zu schließen, so bleibt er wegen des von ihm zu tragenden sog. Betriebsrisikos dazu verpflichtet, die Mitarbeiter weiter zu bezahlen.
e) Kurzarbeit
Grundsätzlich trifft also den Arbeitgeber immer das sog. Betriebsrisiko, d.h., er muss den Mitarbeitern ihr Gehalt zahlen, auch wenn im Betrieb nicht gearbeitet werden kann. Ein bedingt durch das Corona-Virus eingetretener Arbeitsausfall im Betrieb ermöglicht aber derzeit regelmäßig als ein sog. unabwendbares Ereignis im Sinne des § 96 Abs.1 Nr.1 SGB III die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld.
Grundvoraussetzung ist, dass der Arbeitgeber natürlich im Verhältnis zum Mitarbeiter überhaupt berechtigt sein muss, die Kurzarbeit anzuordnen, entweder aufgrund einer entsprechenden Regelung im Arbeitsvertrag, einer Tarifregelung oder einer Betriebsvereinbarung (streitig). Besteht die Befugnis zur Anordnung der Kurzarbeit noch nicht, kann und sollte sie kurzfristig mit den Mitarbeitern vereinbart werden.
Liegt diese Vereinbarung vor, ordnet der der Arbeitgeber die Kurzarbeit an und zeigt dies bei der für seinen Betriebssitz zuständigen Agentur für Arbeit an. Diese entscheidet dann in einem Anerkennungsbescheid, ob die Voraussetzungen dem Grunde nach vorliegen. Kurzarbeitergeld ist derzeit (mindestens bis zum 31.12.2020) schon möglich, wenn nur 10% der Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10% des monatlichen Bruttoentgelts betroffen sind. Weitere Voraussetzung ist, dass die Kurzarbeit unvermeidbar ist. So muss bspw. den Mitarbeitern zuvor noch bestehender nicht verplanter Urlaub gewährt und Überstunden abgebaut worden sein. Nicht erforderlich ist es, negative Arbeitszeitsalden aufzubauen.
Bewilligt die Agentur für Arbeit nach der Anzeige des Arbeitgebers die Kurzarbeit dem Grunde nach, errechnet der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld, zahlt dieses an die Mitarbeiter aus und stellt dann, gesondert für jeden Monat, einen Leistungsantrag auf Erstattung bei der Agentur für Arbeit (Online-Portal eServices der Agentur für Arbeit).
Die Kurzarbeit kann für den ganzen Betrieb aber auch nur für einzelne Betriebsteile erfolgen. Sie kann für nur einen Teil der Arbeitszeit aber auch bis zu einem vollständigen Arbeitsausfall reichen (Kurzarbeit „0“). Der Mitarbeiter erhält 60% bzw. 67% (bei mindestens einer Unterhaltspflicht) des ausfallenden Nettoarbeitsentgelts, bezogen auf den Teil der Arbeitszeit, der tatsächlich ausfällt. Die Agentur für Arbeit übernimmt nach der jüngst erfolgten Gesetzesänderung die auf die Kurzarbeitszeit entfallenden Sozialversicherungsbeiträge.
Es ist dem Arbeitgeber freigestellt aber keine Voraussetzung für Kurzarbeitergeld, den Ausfall der Vergütung, den der Arbeitnehmer erleidet, aufzustocken. In Tarifverträgen findet sich mitunter sogar eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers.
4. Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers und Entgeltfortzahlung bei Kita- und Schulschließung?
a) Die Sorge vor Ansteckung berechtigt einen arbeitsfähigen Mitarbeiter nicht zum Fernbleiben von der Arbeit. So darf bspw. auch nicht etwa die Arbeit verweigert werden, nur weil ein Kollege aus einer gefährdeten Region zurückkehrt. Hier freilich ist der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, die nötigen Maßnahmen zum Schutz der Belegschaft zu treffen. Der Rückkehrer könnte angewiesen werden, eine ärztliche Bescheinigung beizubringen, die seine fehlende Erkrankung belegt, flankiert durch eine vorübergehende Freistellung oder die Arbeit im Home-Office. Es kommt auch eine betriebsärztliche Untersuchung in Betracht, wenn der Rückkehrer aus einem Gebiet mit Reisewarnung kommt. Mitarbeiter, mit denen auch eine Home-Office-Lösung vereinbart und eingerichtet ist, dürften berechtigt sein, diesen Arbeitsplatz als Ausweichlösung zu beanspruchen. Ohne eine solche verbindliche Regelung besteht aber grundsätzlich kein Anspruch, von zu Hause zu arbeiten.
b) Nur wenn die Arbeitsaufnahme objektiv unzumutbar ist, darf der Mitarbeiter die Leistung verweigern. Solange jedoch keine objektiv feststellbare erhebliche Gefahr besteht, die die Unzumutbarkeit im Rechtssinne begründen würde, müssen die Mitarbeiter erscheinen. In den Risikoberufen, denen eine solche Gefahr immanent ist (wie bspw. medizinisch-pflegerische Tätigkeiten), sind jedoch die Mitarbeiter durchweg verpflichtet, ihre Arbeit zu versehen.
Zu Dienstreisen: Angesichts der derzeit weltweit stark eingeschränkten Reisemöglichkeiten handelt es sich dabei um ein Randthema, wird aber bei Lockerung der Restriktionen erneut von Bedeutung sein. Reisen in Pandemiegebiete wären in diesem Sinne unzumutbar, wenn es diesbezüglich eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gibt. Der Mitarbeiter hat dann ein Leistungsverweigerungsrecht, wobei sein Vergütungsanspruch erhalten bleibt. Ein bloßer Sicherheitshinweis des Auswärtigen Amtes jedoch würde nicht genügen. Verweigert der Mitarbeiter berechtigt den Einsatz, hat der Arbeitgeber das Recht, dem Mitarbeiter eine andere Tätigkeit zuzuweisen. Befindet sich der Mitarbeiter bereits im Ausland, besteht auch dort grundsätzlich die Arbeitspflicht, sofern der konkrete Einsatz nicht unzumutbar geworden sein sollte.
c) Die wegen der Pandemie geschlossene Kita oder Schule würden den sorgeberechtigten Mitarbeiter grundsätzlich nicht berechtigen, seine Arbeit nicht anzutreten. Kann der Mitarbeiter jedoch eine erforderliche Betreuung (durch Verwandte, kommerzielle Anbieter etc.) nicht organisieren, wird er gemäß § 275 Abs.3 BGB die Arbeitsleistung verweigern können. Der Vergütungsanspruch bleibt ihm dann in Anwendung des § 616 BGB nach allgemeiner Auffassung für einen Zeitraum von jedenfalls bis zu 5 Tagen erhalten. Danach besteht nach der derzeitigen Gesetzeslage jedoch kein Anspruch mehr auf Fortzahlung. Hier soll mit dem voraussichtlich am 25.03.2020 im Bundestag auf den Weg gebrachten Maßnahmenpaket der Bundesregierung – geregelt wahrscheinlich im oben bereits genannten Infektionsschutzgesetz – eine Entschädigung der Betroffenen in Höhe von 67% des Nettoentgelts für längstens 6 Wochen erfolgen, deren bis zu 12 Jahre alten Kinder aufgrund angeordneter Schließungen betreut werden müssen und die keine Betreuung organisieren können.
5. Beiderseitige Schutz- und Rücksichtnahmepflichten
a) Der Mitarbeiter muss wegen seiner arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht aber auch aus einer gesetzlichen Verpflichtung in §§ 15, 16 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) insbesondere eine erkannte ansteckende Erkrankung in dem Ausnahmefall einer Pandemie dem Arbeitgeber melden, damit dieser Schutzmaßnahmen gegen eine Ansteckung anderer Personen ergreifen kann, dies zum Schutz anderer Personen aber auch zum Schutz seiner betrieblichen Tätigkeit. Der Arbeitgeber hat das Recht, den Mitarbeiter, der von einem Urlaub im Ausland zurückkehrt, zu befragen, ob er aus einem Risikogebiet kommt.
Die Sorge vor einer Verletzung des Beschäftigtendatenschutzes darf der Arbeitgeber ausnahmsweise zurückstellen: Wenn er die von dem Mitarbeiter erhaltenen Auskünfte, die im Zweifel immerhin besonders schutzbedürftige personenbezogene Gesundheitsdaten nach Art.9 der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind, zum Schutze der übrigen Mitarbeiter und sonstiger Personen einsetzen muss, kann er sich auf ein berechtigtes Interesse im Sinne von Art.6 Abs.1 b), d), f) DSGVO berufen.
b) Den Arbeitgeber trifft eine arbeitsvertragliche Schutz- und Fürsorgepflicht wie auch eine gesetzliche Pflicht gemäß § 618 Abs.1 BGB, die Belegschaft über die Krankheit, deren Risiken und über die für den Betrieb getroffenen Schutzmaßnahmen zu informieren. Maßstab ist § 4 ArbSchG: Danach hat der Arbeitgeber mit geeigneten, erforderlichen und ihm zumutbaren Schutzvorkehrungen die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird. Verletzt der Arbeitgeber diese Pflicht, könnten Mitarbeiter mangels ausreichender Information und Schutz ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeit geltend machen, dies bei Fortbestehen der Vergütungspflicht des Arbeitgebers.
Existiert ein Betriebsrat, empfiehlt sich der Abschluss einer Betriebsvereinbarung, in der verbindliche, im Zweifel nur vorübergehende, Regeln zum Gesundheitsschutz, über das Verfahren für Versetzungen, zur Anordnung aber auch zum Abbau von Überstunden, zur Durchführung von Dienstreisen und zur Vertretung getroffen werden. Einige der von dem Arbeitgeber als zweckmäßig erachteten Maßnahmen werden ohnehin zwingend mitbestimmungspflichtig sein (z.B. Zugangskontrollen und – prüfungen).
6. weitere einseitige Weisungsrechte des Arbeitgebers: Überstunden und Gesundheitsschutz
a) Der Arbeitgeber hat das Recht, in einer Notlage Überstunden anzuordnen und dem Mitarbeiter vorübergehend andere als von ihm geschuldete Tätigkeiten zu übertragen, dies sogar, wenn dies von dem üblichen Weisungsrecht nicht mehr gedeckt wäre. Eine Gesundheitsgefährdung muss der Mitarbeiter jedoch regelmäßig nicht hinnehmen.
b) Im Pandemiefall wird sich der Arbeitgeber auch auf ein erweitertes Weisungsrecht gemäß § 4 Nr.7, § 15 Abs.1 ArbSchG in Verbindung mit seiner Schutzpflicht aus dem Arbeitsvertrag berufen können, wenn er Maßnahmen anordnet, die dem Gesundheitsschutz dienen.