Immobilien- & Baurecht
Bau- und Architektenrecht in Zeiten von COVID-19: Wie werde ich als Architekt meinen Vertragspflichten auf der Baustelle gerecht?
Das öffentliche Leben ist nahezu zum Erliegen gekommen. Die Bundesländer haben Regelungen getroffen, in welchem Maß ein Kontakt zu Dritten, insbesondere auch in Ausübung meiner beruflichen Tätigkeit, momentan zulässig ist. Nachfolgend soll die Frage nach den speziellen Pflichten des Architekten am Beispiel des Landes Baden-Württemberg erörtert werden. Nach § 3 der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg (Corona-VO) ist „der Aufenthalt im öffentlichen Raum nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Haushalts gestattet. Zu anderen Personen ist im öffentlichen Raum, wo immer möglich, ein Mindestabstand von 1,5 m einzuhalten.“
Ausgenommen von dem Verbot sind aber Ansammlungen und sonstige Zusammenkünfte, wenn sie der Aufrechterhaltung des Arbeits- und Dienstbetriebs dienen. Darüber hinaus dürfen Dienstleister, Handwerker und Werkstätten ihrer Tätigkeit in vollem Umfang nachgehen, § 4 Abs. 4 Corona-VO.
Allerdings stellt das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) grundlegende Anforderungen an den Schutz von Beschäftigten bei der Arbeit, die auch das aktuelle Infektionsrisiko durch COVID-19 berücksichtigen müssen. Um auf Baustellen ein erhöhtes Infektionsrisiko für die Beschäftigten zu vermeiden, ist ein Sicherheitsabstand von mindestens 1,50 Meter zwischen den Beschäftigten anzustreben. Daher sollen die Arbeitsplätze durch geeignete Wahl an technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen so abgeschirmt und gesichert werden, so dass einer Übertragung des Corona-Virus vorgebeugt wird (Nicht kodifizierte Empfehlungen des Landes Baden-Württembergs für die Gestaltung des von Baustellen im Hinblick auf den Arbeitsschutz).
Die Einhaltung der Maßnahmen auf der Baustelle zur Eindämmung des Coronavirus zählt daher grundsätzlich zum Verantwortungsbereich des Bauunternehmers als Arbeitgeber gemäß § 4 ArbSchG und gemäß § 44 Abs. 1 LBO, wonach jeder Unternehmer dafür verantwortlich ist, dass seine Arbeiten den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechend ausgeführt werden und u.a. für die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen zu sorgen hat. Darüber hinaus liegt die Einhaltung auch im Verantwortungsbereich des Bauherren als Adressat der „Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen“ (BaustellenV).
PFLICHTENKREIS DES ARCHITEKTEN IM HINBLICK AUF EINDÄMMUNG DES CORONAVIRUS
Bei der Übernahme der LPH 8 (Objektüberwachung) zählt die Überwachung der Einhaltung der Unternehmer- und Bauherrenpflichten gleichfalls zum Aufgabenbereich des Architekten.
Der Architekt schuldet ein mängelfreies und funktionstaugliches Werk, d.h. eine mangelfreie und funktionstaugliche Planung und er übernimmt mit der Objektüberwachung die Verpflichtung, das Bauwerk frei von Mängeln entstehen zu lassen und dazu das ihm Zumutbare beizutragen.
Die Intensität der Überwachung richtet sich grundsätzlich danach, ob es sich um wichtige Bauvorgänge handelt, die für die Errichtung des Werks von wesentlicher Bedeutung sind oder um sog. handwerkliche Selbstverständlichkeiten, also, allgemein übliche und einfache Bauarbeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann. (Zur Überwachungspflicht des Architekten im Allgemeinen s. „Die Überwachungspflicht des Architekten – Ein Überblick“ von Benedikt Murken).
Die Überwachung über die Einhaltung der BaustellenVO ist Aufgabe eines Sicherheits- und Gesundheitskoordinatiors (SiGeKo). Soweit nach der BaustellenVO die Vorankündigung des Bauvorhabens, der Einsatz eines SiGeKo sowie die Aufstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes nötig ist, muss der Architekt den Bauherren darüber informieren. Außer dieser Hinweispflicht treffen ihn aber keine originären weiteren Leistungsverpflichtungen aus der BaustellenVO, da es sich insoweit um zusätzliche Leistungen im Sinne der HOAI handelt (Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, § 34 Rn. 34 und 251; Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, § 34 Rn. 265 mwN). Die räumliche Baustellenkoordination, insbesondere die Einhaltung der in der BaustellenVO geregelten arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz der auf der Baustelle Beschäftigten, gehört nicht zu den Grundleistungen der HOAI. Die Planung der Baustelleneinrichtung sowie der Baustellenlogistik gehört ebenfalls nicht zu den Grundleistungen der Leistungsphase 5 oder einer anderen Leistungsphase (Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, § 34 Rn. 34 und 251; Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, § 34 Rn. 265 mwN). Dementsprechend ist auch die Überwachung oder Koordination der der Baustelleneinrichtung und -logistikkeine Grundleistung im Rahmen der Ausführungsüberwachung.
PFLICHTENKREIS DES ARCHITEKTEN AUS DER STELLUNG ALS BAULEITER IM SINNE DES § 45 LBO BW
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, wenn der Architekt gleichzeitig die öffentlich-rechtliche Aufgabe als Bauleiter iSd § 45 LBO BW wahrnimmt. Der Bauleiter hat zwar auch für die Sicherheit auf der Baustelle Rechnung zu tragen. Darunter fällt aber nicht die Überwachung der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften. Der Bauleiter soll unsichere, rechtswidrige oder ähnliche Zustände und technische Fehler bei der Bauausführung verhindern. Dementsprechend obliegt diesem die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften nur insoweit, als sie technische Anforderungen an die eigentliche Bauausführung stellen.
HANDLUNGSEMPFEHLUNG
Um sicherzugehen, dass der Architekt seine vertraglichen Leistungspflichten erfüllt, sollte ein dokumentierter Hinweis an den Bauherrn und die tätigen Bauunternehmer erfolgen. Der Bauherr muss – auch ohne die außerordentlichen Umstände der Corona Pandemie – auf die Beauftragung eines SiGeKo hingewiesen werden; die tätigen Bauunternehmer auf ihre Pflichten zur Einhaltung der besonderen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie.
Dagegen sollte vom Architekten nicht auf den Ablauf und die Koordinierung der Baustelle selbst im Hinblick auf die Einhaltung der konkretisierenden Empfehlungen des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau gemeinsam mit dem Ministerium für Soziales und Integration hinsichtlich der Vorgaben des ArbSchG und der Baustellenverordnung eingewirkt werden. Explizite Anweisungen könnten dazu führen, dass dem Architekten die Stellung eines sog. faktischen Bauüberwachers (BGH VersR 1959, 904; BGH BauR 1996, 418; OLG Celle BauR 2002, 1427; OLG Hamm BauR 2003, 273) auch bezüglich des nicht von den Grundleistungen der HOAI gedeckten Leistungsumfangs zugeschrieben werden könnte, mit der Folge einer entsprechenden Haftungserweiterung.