Arbeitsrecht
Auswirkungen neuer Arbeitsschutzstandards auf Desk-Sharing und Großraumbüros
1. Deutschlands neue generelle Arbeitsschutzstandards im Zusammenhang mit Covid-19
Am 16.04.2020 stellte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Zusammenhang mit Covid-19 neue generelle Arbeitsschutzstandards vor, die Handlungsanweisungen für Arbeitgeber zum Schutz der Mitarbeiter (https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Schwerpunkte/sars-cov-2-arbeitsschutzstandard.html) und insbesondere zwei allgemeine Grundsätze enthalten:
- Unabhängig von den betrieblichen Maßnahmen müssen in Zweifelsfällen, in denen der Mindestabstand (1,5 Meter) nicht sicher eingehalten werden kann, Schutzmasken, die Mund und Nase bedecken, bereitgestellt und getragen werden.
- Personen mit Atemwegssymptomen (es sei denn, sie wurden von einem Arzt als unerheblich eingestuft, z.B. eine einfache Erkältung) oder Fieber sollen sich generell nicht auf dem Gelände aufhalten. Der Arbeitgeber hat (z.B. im Rahmen von "Infektionsnotfallplänen") ein Verfahren zur Abklärung von Verdachtsfällen (z.B. bei Fieber) festzulegen.
Der Arbeitgeber hat sich von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten beraten zu lassen und sich mit den betrieblichen Interessenvertretungen abzustimmen. Verfügt das Unternehmen über keinen Arbeitsschutzausschuss, kann auch ein Koordinations-/Krisenteam unter der Leitung des Arbeitgebers unter Beteiligung des Betriebsrats, der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des Betriebsarztes eingerichtet werden. Dieses Team hat alle Beschäftigten über bestehende Gesundheitsrisiken und geeignete Maßnahmen und Verhaltensregeln zur Prävention zu informieren.
Auch sind betriebliche Regelungen zur raschen Abklärung von Verdachtsfällen der COVID-19-Krankheit zu treffen. Insbesondere Fieber, Husten und Kurzatmigkeit können Anzeichen für eine Infektion mit dem Coronavirus sein. Zu diesem Zweck ist eine kontaktlose Fiebermessung durchzuführen.
Insbesondere sind arbeitsmedizinische Vorkehrungen und der Schutz besonders gefährdeter Personen zu gewährleisten.
Da die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern gegenüber eine Fürsorgepflicht haben, können sie bei Nichteinhaltung dieser Pflicht den Arbeitnehmern gegenüber schadenersatzpflichtig sein.
2. Grossraumbüros, Desk-Sharing und Infektionsrisiken
Generell muss die Belegungsdichte von Arbeitsbereichen und gemeinsam genutzten Einrichtungen (z.B. durch gestaffelte Arbeits- und Pausenzeiten, ggf. Schichtbetrieb) reduziert werden.
Aufgrund ihrer Fürsorgepflicht müssen Arbeitgeber bestehende Hygienestandards überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Es wird empfohlen, von mehreren Beschäftigten genutzte Bereiche wie Großraumbüros häufiger zu reinigen und zu desinfizieren. Darüber hinaus ist es ratsam, den Mitarbeitern Desinfektionsmittel wie Desinfektionstücher zur Reinigung von Tastaturen und Schreibtischoberflächen zur Verfügung zu stellen. Wie oben angegeben, muss stets ein ausreichender Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern eingehalten werden können. Dazu gehören nicht nur die eigentlichen Arbeitsplätze, sondern auch Flure, Treppen und andere Büroverkehrswege. Wo dies nicht gewährleistet werden kann, wird das Tragen von Schutzmasken erforderlich sein.
Die Arbeitgeber müssen insbesondere den Sicherheitsabstand zwischen den Arbeitsplätzen überprüfen und adäquate transparente Trennwände zur Trennung der Arbeitsplätze installieren, wenn kein Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern gewährleistet werden kann.
In jedem Fall sollte das Desk-Sharing-Modell ausgesetzt werden, es sei denn, eine tägliche Desinfektion ist vor der Übergabe an einen neuen Mitarbeiter möglich. Beschaffungsprobleme und beträchtliche zusätzliche Kosten sprechen jedoch dafür, dieses Arbeitsmodell auf absehbare Zeit nicht weiterzuführen.
Darüber hinaus muss für eine regelmäßige Belüftung gesorgt werden, da sie der Hygiene dient und die Luftqualität fördert, da in geschlossenen Räumen die Zahl der Krankheitserreger in der Raumluft zunehmen kann. Durch die Belüftung wird die Anzahl der feinen Tröpfchen mit Krankheitserregern, die in der Luft vorhanden sein können, reduziert.
3. Darf ein Mitarbeiter die Arbeit in Großraumbüros ablehnen und stattdessen die Nutzung eines Homeoffice beantragen, weil er befürchtet, sich im Unternehmen eine Infektion zuzuziehen?
Nein, ein Arbeitnehmer darf die Arbeit im Büro nicht aus der bloßen Furcht vor einem erhöhten Infektionsrisiko verweigern, sofern der Arbeitgeber angemessene Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer ergriffen hat. Sollte ein Arbeitnehmer dennoch der Arbeit fernbleiben, kann der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen wie eine Abmahnung, bis hin zu einer Entlassung, ergreifen. Der Arbeitnehmer darf sich nur dann weigern, im Büro zu arbeiten, wenn dies unangemessen wäre. Diese Rechtfertigung ist jedoch nicht ohne weiteres gegeben, insbesondere dann nicht, wenn der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommt und die generellen Arbeitsschutzstandards beachtet indem er notwendige Gesundheitsschutzmaßnahmen einleitet und durchführt.
Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice, es sei denn, es besteht eine spezifische Infektionsgefahr im Betrieb oder eine entsprechende Vereinbarung über die Nutzung eines Homeoffice. Dies bedeutet, dass z.B. ein Arbeitnehmer nur dann, wenn ein Kollege in der gleichen Abteilung an Corona erkrankt und der Arbeitgeber keine geeigneten Schutzmaßnahmen trifft, vorübergehend eine Tätigkeit vom Homeoffice aus verlangen kann.