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Aktienrecht – Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) am 1. Januar 2020 in Kraft getreten
Am 1.1.2020 ist das Gesetz zur Umsetzung der zweiten EU-Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) in Kraft getreten. Das ARUG II sieht bei börsennotierten Gesellschaften u.a. eine Stärkung der Mitspracherechte von Aktionären im Hinblick auf die Vergütung der Vorstände und Aufsichtsräte und eine größere Transparenz bei Geschäften mit nahestehenden Personen vor.
Vergütung („say on pay“)
Künftig beschließt die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft obligatorisch und turnusgemäß mindestens alle vier Jahre über das vom Aufsichtsrat zu erstellende detaillierte Vergütungssystem mit mehrjähriger Perspektive. Eine Ablehnung des Vergütungssystems soll inhaltlich nur beratenden Charakter haben und hat damit zwar keine unmittelbaren Folgen, sondern bewirkt nur, dass spätestens der nächsten Hauptversammlung ein neu angepasstes Vergütungssystem zur Abstimmung vorzulegen ist. Allerdings wird ggf. durch die Medienwirksamkeit eines solchen ablehnenden Beschlusses in Folge des hierdurch erzeugten Drucks eine faktische Wirkung erzielt.
Der Aufsichtsrat muss künftig im Rahmen des Vergütungssystems auch eine Höchstvergütung der Mitglieder des Vorstands festlegen. Dies war bislang lediglich als Empfehlung im Deutschen Corporate Governance Kodex enthalten. Diese vom Aufsichtsrat festgelegte Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder kann die Hauptversammlung nunmehr verbindlich herabsetzen.
Die Hauptversammlung muss künftig auch mindestens alle vier Jahre über die Vergütung (einschließlich des Vergütungssystems) für den Aufsichtsrat beschließen.
Es wird ein neuer, jährlich zu erstellender aktienrechtlicher „Vergütungsbericht“ eingeführt. Der Vergütungsbericht beinhaltet klare und verständliche individuelle Angaben über die im vorangegangenen Geschäftsjahr entsprechend des Vergütungssystems den gegenwärtigen oder früheren Organmitgliedern (Vorstand und Aufsichtsrat) gewährte bzw. geschuldete Vergütung. Der Vergütungsbericht ist formell durch den Abschlussprüfer zu prüfen, worüber ein Vermerk zu erstellen ist, der auch veröffentlicht wird. Der Vergütungsbericht muss auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlicht und zehn Jahre lang kostenfrei öffentlich zugänglich gemacht werden.
Geschäfte mit nahestehenden Personen („related party transactions“)
Bei der Gesellschaft muss ein internes Verfahren installiert werden, in dem bewertet wird, ob ein Geschäft „im ordentlichen Geschäftsgang“ durchgeführt wird und ob es „marktüblich“ ist. Ist beides nicht der Fall und übersteigt der wirtschaftliche Wert des Geschäfts 1,5% der Bilanzsumme der Gesellschaft, so darf ein solches Geschäft nur nach vorheriger Zustimmung durch den Aufsichtsrat oder eines von diesem eingesetzten Ausschusses durchgeführt werden. Ein solches durchgeführtes Geschäft ist unverzüglich u.a. auf der Internetseite zu veröffentlichen (mit detaillierten Angaben zum Geschäft einschl. Namensnennung der nahestehenden Person).
Zu diesen Grundsätzen gibt es Ausnahmen wie z.B. Geschäfte mit 100%igen Tochterunternehmen, die nicht unter die Zustimmungs- und Offenlegungspflicht fallen.
Verbesserte Identifizierung der Aktionäre durch die Gesellschaft („know your shareholder“) und Unterrichtung der Aktionäre durch die Gesellschaft
Das Gesetz sieht vor, dass die Kommunikation zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären verbessert wird, um diese besser über die ihnen zustehenden Rechte zu informieren. Zu diesem Zweck müssen die Gesellschaften ihren Aktionären sog. „Unternehmensereignisse“ mitteilen (Definition gem. Art. 1 Nr. 3 DVO (EU) 2018/1212: „eine vom Emittenten oder einem Dritten initiierte Maßnahme, die die Ausübung der mit den Aktien verbundenen Rechte beinhaltet und die zugrunde liegende Aktie beeinflussen kann, z.B. die Gewinnausschüttung oder eine Hauptversammlung“).
Hierfür werden vom Gesetz die Verwahrer der Aktien (in Deutschland regelmäßig die Clearstream Banking AG, Frankfurt/Main, und die Banken als sog. Zwischenverwahrer) und weitere sog. Finanzintermediäre verpflichtet, von der Gesellschaft erhaltene entsprechende Informationen weiterzuleiten.
Die Gesellschaften wiederum haben einen Anspruch gegenüber Finanzintermediären auf Identifizierung ihrer Aktionäre. In der Praxis wird die Identifikation von Aktionären außerhalb der EU / des EWR mangels Rechtsdurchsetzungsbefugnissen schwierig bleiben und nur bei freiwilliger Mitwirkung der Intermediäre/Aktionäre möglich sein.
Weitere Neuerungen
Neben den oben angeführten Punkten wurden auch Neuregelungen im Hinblick auf zahlreiche Offenlegungspflichten für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater in das Aktiengesetz aufgenommen.
Weiter wurden Erleichterungen für die Rechnungslegung in Konzernen im Handelsgesetzbuch verankert.
Wirksamkeit der Regelungen, Übergangsfristen
- Die Regelungen über Related Party Transactions gelten seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2020.
- Für die Regelungen über die Vergütung und den Vergütungsbericht gelten Übergangsfristen:
- Ein Vergütungsbericht ist erstmals für Geschäftsjahre anzufertigen, die nach dem 31. Dezember 2020 beginnen.
- Die neuen Regelungen zur Beschlussfassung über das Vergütungssystem einschließlich der Maximalvergütung gelten für Hauptversammlungen, die nach dem 31. Dezember 2020 stattfinden.