Steuerrecht
Rechtsprechung – Festsetzungsverjährung bei Rückgängigmachung eines grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte mit Beschluss vom 04.11.2019 (Az. II B 48/19) über die Rückgängigmachung eines grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu entscheiden.
Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, bevor das Eigentum an dem Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, so wird gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.
Im streitgegenständlichen Fall wurde mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 29.02.2012 ein Grundstück erworben. Mit Schreiben vom 27.12.2013 erfolgte dann der Rücktritt vom Kaufvertrag. Erst am 19.01.2017, also mehr als 3 Jahre später, wurde der Antrag auf Aufhebung der im Bescheid vom 20.04.2012 festgesetzten Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG gestellt. Nach Ansicht des Finanzamts erfolgte der Antrag verspätet, da die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahres 2016 eingetreten und eine Aufhebung dadurch nicht mehr möglich ist. Ein Neubeginn der Festsetzungsfrist nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO sei nicht eingetreten, da kein rückwirkendes Ereignis vorliege.
Diese Ansicht vertrat auch der BFH und wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurück. In seiner Entscheidung traf der BFH dabei drei Aussagen hinsichtlich der Rückgängigmachung eines grundsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG.
Zum einen, dass § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG keine Fristen für die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs enthält. Die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG kann damit auch noch nach Ablauf von zwei Jahren und sogar noch nach Ablauf der Festsetzungsverjährung stattfinden. Eine entsprechende zeitliche Befristung von zwei Jahren, wie sie in § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorgesehen ist, fehlt dagegen in Nr. 2. Die zeitliche Begrenzung von zwei Jahren in Nr. 1 bezieht sich außerdem nur auf die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs und nicht darauf, wann der Antrag auf Aufhebung der Steuerfestsetzung gestellt wurde.
Zum anderen hebt der BFH in seinem Urteil hervor, dass die besondere Verjährungsregelung in § 16 Abs. 4 GrEStGdaran anknüpft, wann die Rückgängigmachung tatsächlich stattgefunden hat und nicht, obsie nach den Vertragsbedingungen noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Denn nach § 16 Abs. 4 GrEStG endet die vierjährige Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 AO) nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses, dass die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung begründet. Dadurch kann bei späterer Rückgängigmachung, etwa kurz vor oder nach Ablauf der Festsetzungsfrist, die Steuerfestsetzung noch aufgehoben werden.
Abschließend stellt der BFH klar, dass in der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gesehen werden kann, mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist nicht von neuem zu laufen beginnt. Ob eine steuerliche Rückwirkung für die Vergangenheit eintritt, bestimmt sich nach dem jeweiligen materiellen Steuergesetz. Aus § 16 Abs. 4 GrEStG folgt, dass bei Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs, die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach diesem Ereignis endet. Würde bereits ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegen und die Festsetzungsverjährungsfrist von neuem beginnen, so wäre die besondere Ablaufhemmung des § 16 Abs. 4 GrEStG überflüssig und würde der gesetzlichen Systematik widersprechen.
Fazit
Bei Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ist der Antrag, die Steuer nicht festzusetzen oder die Steuerfestsetzung aufzuheben, innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist zu stellen. Diese endet nach § 16 Abs. 4 GrEStG insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach der tatsächlichen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs. Die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs selbst unterliegt im Fall des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG keiner zeitlichen Begrenzung.