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Pflicht von GmbH-Gesellschaftern, sich über Beschlüsse zu informieren
Gesellschafter einer GmbH trifft die Pflicht, sich innerhalb von zwei Wochen über Beschlüsse einer Gesellschafterversammlung zu informieren, wenn sie an der Versammlung nicht teilgenommen haben.
Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 28. Mai 2020, Az.: 8 U 2611/19
Sachverhalt
Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH, die Gesellschafterin der beklagten GmbH war, nahm nicht an einer ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung der beklagten GmbH teil, bei der ein Beschluss über die Zwangsabtretung von Geschäftsanteilen, die die insolvente GmbH an der beklagten GmbH hielt, gefasst wurde. Dem Kläger wurde das Protokoll der Gesellschafterversammlung vier Wochen nach der Versammlung übermittelt. Einen Monat nach Übermittlung erhob der Insolvenzverwalter Anfechtungsklage gegen die gefassten Beschlüsse.
Die Parteien stritten unter anderem darüber, ob der Kläger die Anfechtungsfrist eingehalten habe. Der Gesellschaftsvertrag der beklagten GmbH enthielt keine Bestimmung über die Anfechtungsfrist. Die beklagte Gesellschaft war der Meinung, die Anfechtungsfrist betrage einen Monat ab Beschlussfassung, der Kläger vertrat dagegen die Ansicht, die Anfechtungsfrist beginne erst mit Kenntnis der Beschlüsse, vorliegend also mit Zustellung des Protokolls der Versammlung.
Entscheidung
Das OLG Dresden entschied, dass der Kläger die Anfechtungsfrist versäumt habe und hat deswegen die Klage abgewiesen. Das Gericht führte zunächst aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Frist zur Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung einer GmbH in entsprechender Anwendung der Regelung des § 246 Abs. 1 Aktiengesetz einen Monat beträgt, wenn die Satzung der GmbH – wie vorliegend – keine anderslautende Bestimmung enthält. Werde diese Frist überschritten, komme es, so das OLG Dresden, darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren klageweisen Geltendmachung des Anfechtungsgrundes gehindert haben. Vorliegend fiel der Zeitraum zwischen Weihnachten und Neujahr in diese Monatsfrist, jedoch stellte dies nach Ansicht des Gerichts keinen Rechtfertigungsgrund für eine Fristüberschreitung dar.
Nach Ansicht des Gerichts kam es allein darauf an, wann die Anfechtungsfrist von einem Monat zu laufen begann, mit Beschlussfassung oder mit Bekanntgabe des Beschlusses an den nicht anwesenden bzw. vertretenen Gesellschafter.
Zu dieser Frage gibt es in Rechtsprechung und Literatur verschiedene Ansichten. Teilweise wird vertreten, dass die Beschlussanfechtungsfrist grundsätzlich mit der Fassung des Beschlusses zu laufen beginne. Nach dieser Ansicht wäre im vorliegenden Fall die Anfechtungsfrist drei Tage nach Zustellung des Protokolls abgelaufen, die Einreichung der Klage vier Wochen später wäre nicht mehr fristwahrend gewesen. Der Umstand, dass der Kläger erst vier Wochen nach Fassung des Beschlusses von diesem Kenntnis erlangt habe, wäre danach nicht von Bedeutung.
Eine andere, wohl leicht überwiegende Meinung vertritt dagegen, dass es zum Schutz des an der Gesellschafterversammlung nicht teilnehmenden Gesellschafters sachgerecht und geboten sei, dass die Anfechtungsfrist erst mit Kenntniserlangung vom Inhalt des Beschlusses zu laufen beginne. Allerdings trifft danach den bei der Gesellschafterversammlung nicht anwesenden bzw. vertretenen Gesellschafter die Pflicht, sich nach dem Inhalt der gefassten Beschlüsse zu erkundigen, wenn ihm das Versammlungsprotokoll nicht zeitnah zugestellt werde. Das OLG Hamm geht in einer Entscheidung vom 21.12.2015 davon aus, dass die Erkundigungsfrist ca. 2 Wochen betrage und nach Ablauf dieser 2-Wochen-Frist die Beschlussanfechtungsfrist auch ohne Kenntnis des Gesellschafters vom Inhalt des Beschlusses zu laufen beginne.
Das OLG Dresden folgt der zweitgenannten Ansicht, wonach die Kenntnis von dem fraglichen Beschluss maßgeblich sei, und hält die genannte Frist von zwei Wochen zur Erkundigung für grundsätzlich angemessen. Vorliegend wäre das Ende dieser Erkundigungsfrist in die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr gefallen. Allerdings, so das Gericht, wäre auch dann, wenn man ausnahmsweise zu Gunsten des Klägers von einem Ablauf der Erkundigungsfrist nach 3 Wochen ausgehen würde, die Klage verspätet erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist erhoben worden.
Praxistipp
Will ein Gesellschafter einer GmbH einen Beschluss der Gesellschafterversammlung anfechten, muss er genau die anzuwendenden Form- und Fristvorschriften einhalten. Zunächst können solche Beschlüsse grundsätzlich nur mit einer Klage angefochten werden, die innerhalb eines Monats zu erheben ist. Enthält der Gesellschaftsvertrag der GmbH keine Regelung zur Anfechtungsfrist und ihrem Beginn, sollte, zumindest solange keine höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu vorliegt, vorsichtshalber davon ausgegangen werden, dass die Frist am Tag der Beschlussfassung zu laufen beginnt. In jedem Fall darf ein Gesellschafter nicht einfach abwarten bis ihm irgendwann das Protokoll zugestellt wird, sondern er muss sich zur Vermeidung eventuell irreparabler Nachteile zeitnah, in jedem Fall innerhalb von zwei Wochen nach der Versammlung beim Versammlungsleiter bzw. der Gesellschaft nach dem Inhalt der gefassten Beschlüsse erkundigen und, will er Beschlüsse anfechten, vorsichtshalber innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung Klage erheben.