IT/Datenschutz
BGH legt dem Europäischen Gerichtshof vor: Sind DSGVO-Verstöße abmahnbar?
Mit dem OLG Stuttgart, wie bereits berichtet, haben nunmehr drei Oberlandesgerichte (OLG Hamburg v. 25.10.2018 – 3 U 66/17 und OLG Naumburg v. 07.11.2019 – 9 U 6/19) entschieden, dass Verletzungen der DSGVO abmahnbar sind. Jetzt hat der BGH (Beschluss vom 28.05.2020 – I ZR 186/17) diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.
Die Verbraucherzentrale Bundesverband – vbzb – hatte Facebook abgemahnt, da die Plattform in ihrem „App-Zentrum“ einen „Sofort-Spielen-Button“ bei Online-Spiele von Drittanbietern gesetzt hatte, der sofort Daten sammelte. Die vbzb sieht darin einen Verstoß gegen die Informationspflicht aus der DSGVO, denn durch die Anzeige sei unklar, welche persönlichen Daten an die Anwendung und somit an einen Dritten weitergegeben würden und welcher Zweck dahinterstehe. Diesem Vorwurf pflichtet der BGH bei. Für den BGH steht außer Frage, dass die dortigen Angaben für eine wirksame Einholung einer Einwilligung nicht ausreichen, was einen Datenschutzverstoß darstellt. Ob die Karlsruher Richter jedoch ein solches Urteil fällen werden, kommt darauf an, ob das Wettbewerbsrecht auf Datenschutzverstöße überhaupt Anwendung finden darf. Dies ist in der Rechtswissenschaft höchst umstritten.
Die – knappe – Mehrheit der Landes- und Oberlandesgerichte sieht es wie das OLG Stuttgart und bejaht die Anwendbarkeit. In der Literatur wiederum finden sich mehr Stimmen, die sich darauf berufen, dass die DSGVO ein in sich geschlossenes System des Datenschutzes sei. Dort kann entweder der Betroffene seine Rechte konkret geltend machen oder abstrakt die staatlichen Aufsichtsbehörden die Überwachung der Einhaltung übernehmen. Stichwort: Abschließende Aufzählung der Rechtsbehelfe in der DSGVO. Wettbewerber oder Verbraucherverbände sind außen vor. In Deutschland haben wir eine Tradition, dass Wettbewerber und Verbraucherverbände die Einhaltung von Marktregeln ohne Mandat des Betroffenen durchsetzen können. Im restlichen Europa gibt es dies großenteils nicht, was zu innereuropäischen Unterschieden führt – private action versus public enforcement. Aus diesem Grund legt der BGH dem EuGH diese Frage vor.
Die Auswirkungen, die aus einer positiv ausfallenden Entscheidung des EuGH folgen würden, wären weitreichend. Dann könnte die viel beschworene Abmahnwelle endlich kommen. Das Risiko für ein Unternehmen, bei Datenschutzverstößen in Anspruch genommen zu werden, würde deutlich höher. Zwar verhängen die Aufsichtsbehörden empfindliche Bußgelder, letztendlich sind das aber nur Einzelfälle. Bei einer Abmahnwelle würden sämtliche Wettbewerber und Verbraucherverbände sich zu Datenschützern aufschwingen. Denn Abmahnungen sind immer noch lukrativ.
Daher ist abzuwarten, wie der EuGH die vorgelegte Frage beantworten wird.
Zwar hat sich der EuGH bereits im Juli 2019 in einer Entscheidung (Urteil vom 29.07.2019 – C-40/17) zum Vorgänger der DSGVO für eine Möglichkeit der Abmahnung ausgesprochen und damit die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts auf den Vorgänger bejaht, jedoch lässt dies keinen – zumindest verbindlichen – Rückschluss auf die hier zu entscheidende Frage zu. Somit ist eine Vorentscheidung noch nicht getroffen und es bleibt spannend.