Immobilien- & Baurecht
Gesetzgebung: WEG-Reform – Grundlegende Änderungen des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG)
Das am 22.10.2020 im Bundesgesetzblatt verkündete Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (WEMoG) ist zum 01.12.2020 in Kraft getreten und enthält zahlreiche grundlegende Änderungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG).
Der Zweck des WEMoG liegt laut der Begründung des Gesetzesentwurfs in dem steigenden Bedürfnis, Wohnungen barrierereduzierend aus- und umzubauen, Bestandsgebäude zur Erreichung der Klimaziele energetisch zu sanieren und zur Förderung der Elektromobilität Lademöglichkeiten zu errichten.
Im Nachfolgenden werden die wichtigsten wesentlichen Änderungen dargestellt:
1. Vereinfachung von Sanierung und Modernisierung
Nach der neuen Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes ist zu differenzieren zwischen der Beschlussfassung bzw. Gestattung von baulichen Veränderungen, der dazugehörigen Kostentragungspflicht dieser Veränderungen und der entsprechenden Nutzungsbefugnis.
a) Für bauliche Veränderungen ist künftig nicht mehr die Zustimmung aller von der baulichen Veränderung betroffenen Eigentümer erforderlich. Nach § 20 Abs. 1 WEG n.F. genügt jetzt bereits eine einfache Mehrheit der abgegebenen Eigentümerstimmen, unabhängig von deren Betroffenheit (§ 25 Abs. 1 WEG n.F.). Unzulässig sind dabei nur solche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen (§ 20 Abs. 4 WEG n.F.).
Grundsätzlich haben diejenigen Wohnungseigentümer die Kosten nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen, die die bauliche Veränderung mit beschlossen haben (§ 21 Abs. 3 WEG n.F.). In diesem Fall obliegt auch nur diesen Eigentümern eine Nutzungsbefugnis; alle anderen Eigentümer, die nicht für die Veränderung gestimmt haben, sind von der Nutzung ausgeschlossen.
Ausnahmsweise haben alle Wohnungseigentümer die Kosten nach dem Verhältnis ihrer Anteile gemeinsam zu tragen (§ 21 Abs. 2 WEG n.F.), wenn
(1) die Beschlussfassung über die bauliche Maßnahme mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile erfolgte, es sei denn, die Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden oder
(2) sich die Kosten der baulichen Maßnahme innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
Greift eine dieser Ausnahmen, sind alle Wohnungseigentümer nach den allgemeinen Regeln zum Mitgebrauch der baulichen Veränderung berechtigt.
b) Zusätzlich erhält nach § 20 Abs. 2 WEG n.F. jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Gestattung von angemessenen Maßnahmen zum barrierefreien Aus- und Umbau, zum Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeuge, zum Schutz vor Einbrüchen und zum Anschluss an ein Glasfasernetzwerk. Auch hier ist die Veränderungssperre des § 20 Abs. 4 WEG n.F. (siehe Ziffer 1. a)) zu berücksichtigen. Die dafür entstehenden Kosten hat gemäß § 21 Abs. 1 WEG n.F. jeder Bauwillige selbst zu tragen, wofür ihm dann auch die alleinigen Nutzungen gebühren.
c) Der einzelne Wohnungseigentümer hat außerdem einen Anspruch auf Gestattung seiner geplanten baulichen Änderung nach § 20 Abs. 3 WEG n.F., wenn dadurch kein anderer Eigentümer behindert wird oder alle durch die Maßnahme beeinträchtigten Eigentümer einverstanden sind. Auch hier obliegt dem entsprechenden Wohnungseigentümer sowohl die Kostentragungspflicht, als auch die Nutzungsbefugnis.
d) Abweichend von den vorgenannten Vorschriften können die Wohnungseigentümer eine andere Verteilung der Kosten und Nutzen beschließen. Hierbei darf jedoch ein Eigentümer nicht mit Kosten belastet werden, wenn er nach den gesetzlichen Vorschriften keine Kosten zu tragen hätte (§ 21 Abs. 5 WEGn.F.). Eine solche privatautonome Regelung empfiehlt sich beispielsweise im Rahmen der Kostenamortisierung nach § 21 Abs.2 WEG n.F., da der dort genannte, angemessene Zeitraum keinen eindeutig gesetzlich geregelten Zeitraum enthält.
Nach § 21 Abs. 4 WEG n.F. besteht zudem für einen nicht berechtigten Wohnungseigentümer die Möglichkeit, nach billigem Ermessen durch angemessenen Ausgleich in die Nutzungsberechtigung mit einzutreten. Dafür muss er sich entsprechend an den Kosten beteiligen und wird letztlich so gestellt, als ob er für die baulichen Veränderungen gestimmt hätte.
2. Organisation der Gemeinschaft
Im Rahmen der Gemeinschaftsorganisation gibt es grundlegende Änderungen. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt künftig der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als rechtsfähige Gemeinschaft per se und nicht mehr den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich. Die Wohnungseigentümergemeinschaft handelt durch die Eigentümerversammlung sowie durch den Verwalter und den Verwaltungsbeirat als ihre Organe.
a) Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Durch das Einfügen des neuen § 9a Abs.1 WEG entsteht eine rechtsfähige Gemeinschaft bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher. Es ist daher möglich, dass eine gesetzlich anerkannte „Ein-Personen-Gemeinschaft“ entsteht, auf welche die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes Anwendung finden. Nach der Rechtsprechung des BGH kann auch die Ein-Personen-Gemeinschaft der Verbrauchereigenschaft des § 13 BGB unterliegen, solange der Gemeinschaft ein Verbraucher angehört und das abgeschlossene Rechtsgeschäft weder einer gewerblichen noch einer selbständig beruflichen Tätigkeit dient.
Zudem wurde die seit langem anerkannte Figur des sog. werdenden Wohnungseigentümers mit der Regelung des § 8 Abs. 3 WEG kodifiziert. Ein Ersterwerber von Wohnungseigentum gilt künftig bei bestehender Auflassungsvormerkung schon ab Besitzübergabe gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und den anderen Wohnungseigentümern anstelle des teilenden Eigentümers als Wohnungseigentümer. Da diese Regelung nur eine Fiktion darstellt, gilt die Wohnungseigentümerstellung des Erwerbers nur im Innenverhältnis. Mit Eintragung im Grundbuch wird der Erwerber letztlich auch im Außenverhältnis „echter“ Wohnungseigentümer.
Die Gemeinschaft wird durch den Verwalter, wenn es keinen Verwalter gibt, gemeinschaftlich durch die Wohnungseigentümer selbst, vertreten (§ 9b WEG n.F.).
Gemäß § 18 Abs. 2 Nr.1 WEG n.F. hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Verwaltung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft sowie auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen (§ 18 Abs. 4 WEG). Zudem können die Eigentümer künftig umfassender über die Kostenverteilung und die Kostenarten beschließen (§ 16 Abs. 2 WEG n.F.).
Die Entziehung des Wohnungseigentums bei schweren Pflichtverletzungen eines Eigentümers, so dass die Fortsetzung der Gemeinschaft in dieser Form für die anderen Eigentümer nicht mehr zumutbar ist, erfolgt nicht mehr durch die anderen Wohnungseigentümer, sondern künftig durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 17 Abs. 1 WEG n.F.).
b) Versammlung der Wohnungseigentümer.
Durch die Reform können Eigentümerversammlungen flexibler gestaltet werden. Es ist künftig nach § 23 Abs.1 WEG n.F. möglich, eine Online-Teilnahme an der Versammlung zu beschließen, wobei die Existenz eines physischen Versammlungsortes erforderlich bleibt, selbst wenn alle Eigentümer online teilnehmen. Außerdem wird die Einberufungsfrist von zwei auf drei Wochen verlängert. Für das Einberufungsverlangen genügt zukünftig die Textform. Zudem kann ein Wohnungseigentümer durch Beschluss zur Einberufung einer Versammlung ermächtigt werden, wenn kein Verwalter besteht oder dieser sich zur Einberufung pflichtwidrig weigert (§ 24 WEG n.F.).
Die Beschlussfähigkeit besteht künftig gemäß § 25 WEG n.F. zur Vermeidung des Aufwands und der Kosten für eine Wiederholungsversammlung unabhängig von der Zahl der anwesenden oder vertretenen Eigentümer.
Hinsichtlich der Fassung von Umlaufbeschlüssen bedarf es zum einen nur noch der Textform. Zum anderen können die Wohnungseigentümer bezüglich einzelner Beschlussgegenstände beschließen, dass hierüber im Umlaufverfahren mit Stimmenmehrheit entschieden werden kann (§ 23 WEG n.F.). Diese Regelung ist beispielsweise vorteilhaft, wenn eine Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung mangels hinreichender Informationen nicht möglich ist und der Beschluss dann im Umlaufverfahren nachgeholt werden soll.
c) Verwalter
Grundsätzlich hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Bestellung eines zertifizierten Verwalters, der sich einer Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer unterzogen hat (§§ 19, 26a WEG n.F.) Dieser Anspruch besteht allerdings erstmals zum 01.12.2022, damit das Zertifizierungsverfahren entwickelt und eingeführt werden kann. Um ausreichend Zeit zur Prüfungsablegung zu erhalten, gelten bereits bei Inkrafttreten der WEG-Reform bestellte Verwalter gegenüber den Wohnungseigentümern noch für weitere dreieinhalb Jahre als zertifizierte Verwalter.
Als Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft vertritt der Verwalter nur noch die Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht mehr die einzelnen Eigentümer. Die Vertretungsmacht besteht mit Ausnahme des Abschlusses von Grundstückskauf- und Darlehensverträgen unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 9b WEG n.F.). Er kann ferner in eigener Verantwortung ohne vorherigen Eigentümerbeschluss über Maßnahmen laufender Verwaltung und dringliche Maßnahmen entscheiden. Darunter fallen beispielsweise kleinere Reparaturen, der Abschluss von Versorgungs- und Dienstleistungsverträgen und die Durchsetzung von Hausgeldforderungen, wobei der Umfang der Befugnisse mit der Größe der Anlage wächst. Eine Einschränkung oder Erweiterung dieser Kompetenzen ist durch Beschluss möglich (§ 27 WEG n.F.). Die Vertretungsbefugnis des Verwalters wird demnach maßgeblich ausgeweitet.
Eine Abberufung des Verwalters wurde dahingegen vereinfacht, dass nun jederzeit ein Mehrheitsbeschluss genügt, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegen muss. Spätestens sechs Monate nach der Abberufung endet dann der Verwaltervertrag (§ 26 WEG n.F.).
d) Verwaltungsbeirat
Die Regelungen zum Verwaltungsbeirat wurden in § 29 WEG n.F. neu angepasst. Neben der bisher geregelten Unterstützung überwacht der Verwaltungsbeirat nun ausdrücklich den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben. Zudem sind die Eigentümer nicht mehr an eine Höchstzahl von Beiratsmitgliedern gebunden. Zur Motivation der Eigentümer, sich als Verwaltungsbeirat zu betätigen, wurde die Haftung ehrenamtlicher Beiräte auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.
3. Sondereigentum
Durch die WEG-Reform wird die Sondereigentumsfähigkeit von Räumen und Garagenstellplätzen auf alle Arten von Stellplätzen und andere nicht zur wirtschaftlichen Hauptsache gehörende Freiflächen erweitert. Das bedeutet unter anderem, dass insbesondere an Freiflächen wie Stellplätzen und Terrassen Sondereigentum begründet werden kann. Bisher konnten solche Freiflächen nur als Sondernutzungsrecht dem einzelnen Sondereigentum zugeordnet werden.
4. Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung
Die Wohnungseigentümer können wegen der Neufassung des § 28 Abs. 1 WEG künftig neben der Erhaltungsrücklage auch weitere Rücklagen bilden. Denkbar ist beispielsweise ein Beschluss über Rücklagen für künftige Investitionen abseits der Erhaltung, etwa für eine bauliche Veränderung oder größere Anschaffung.
Wegen der Neuregelung des § 28 Abs. 2 WEG hat der Verwalter zwar wie bisher eine Jahresabrechnung aufzustellen, die die Einnahmen und Ausgaben enthält. Auf dieser Grundlage beschließen die Wohnungseigentümer aber nicht mehr über die Jahresabrechnung selbst, sondern über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse, also über die Abrechnungsspitze. Als Folge dieser Änderung führt ein beschlossener Vorschuss nicht mehr wie früher zu einer Gutschrift, die dem einzelnen Wohnungseigentümer automatisch wieder ausbezahlt oder angerechnet wird. Vielmehr entsteht nun ein Bereicherungsanspruch des Eigentümers auf Rückzahlung des Vorschusses, für dessen Geltendmachung sich der Wohnungseigentümer künftig direkt an den Verwalter richten muss, um das Geld zurückzuerlangen.
Zudem hat der Verwalter gemäß § 28 Abs. 4 WEG n.F. nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der tatsächlichen Rücklagen und des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält und – anders als bisher – nicht mehr Bestandteil der Jahresabrechnung ist. Dieser Bericht ist jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.
5. Beschlussklagen
Durch die WEG-Reform erfolgte auch eine Umgestaltung von Anfechtungs-, Nichtigkeits-, und Beschlussersetzungsklagen (§§ 43, 44, 45 WEG n.F.), die künftig nicht mehr gegen die (übrigen) einzelnen Wohnungseigentümer, sondern gegen die Wohnungseigentümer-gemeinschaft als solche zu richten sind. Zudem wirkt ein etwaiges Urteil dann für und gegen alle Wohnungseigentümer, auch wenn sie nicht Partei sind. Durch diese Regelungen wird ein Vorgehen auf dem Klageweg deutlich erleichtert. Da zukünftig die Wohnungseigentümergemeinschaft richtiger und daher einziger Beklagter ist, ist eine etwaige Klage schon aus tatsächlichen Gründen einfacher ausführbar. Auch die ursprüngliche Problematik der unterschiedlichen Zuständigkeiten bei mehreren beklagten Wohnungseigentümern ist geklärt, weil sich der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinschaft bei dem Gericht befindet, in dessen Bezirk das Grundstück liegt.
6. Änderungen im BGB
Im Zuge der Reform wurden auch das Eigentums- und das Mietrecht weiter angepasst. Durch die Änderung des § 554 BGB kann der Mieter nun verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen, solange sie dem Vermieter zugemutet werden können. Weiter wurde in § 556a BGB geregelt, dass anstatt der Wohnungsgröße als Bemessungsgrundlage der Betriebskostenabrechnung künftig auch für vermietete Wohnungen eine Kostenverteilung nach Eigentumsanteilen erfolgt.
Eine Gegenüberstellung der alten und der neuen Regelungen finden Sie hier.