Arbeitsrecht
Geheimhaltungsklauseln in Arbeitsverträgen
Aktuelles Urteil des ArbG Aachen vom 13.01.2022 zur Unwirksamkeit sogenannter Catch-all-Klauseln und zu den Anforderungen an angemessene Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers.
Bereits seit längerer Zeit gelten sogenannte Catch-all-Klauseln in Arbeitsverträgen als rechtsunwirksam. Das Urteil des ArbG Aachen vom 13.01.2022 (Az.: 8 Ca 1229/20) bestätigt diese Rechtsprechung und legt weitere Voraussetzungen für wirksame Geheimhaltungsklauseln in Arbeitsverträgen sowie sonstige durch den Arbeitgeber zu treffende Sicherheitsmaßnahmen fest.
Eine Catch-all-Klausel („Geheimhaltung aller Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie aller sonstigen, im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft“) und dazu noch zeitlich unbegrenzt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses („über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus“) ist nach Ansicht des Gerichts rechtsunwirksam. Sie verstößt gegen Art. 12 GG (Berufsfreiheit des Arbeitnehmers), ist nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit unwirksam und verstößt als AGB i.S.d. §§ 305, 310 gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers).
Für die Geheimhaltung gelten seit dem 26.04.2019 die Regelungen des Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG).
§ 2 Nr. 1 GeschGehG sieht eine Legaldefinition des Geschäftsgeheimnisses vor. Hierfür müssen kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Eine Information,
a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
Als Folge muss der Arbeitgeber zum einen die fehlende Markbekanntheit sowie angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen, die er ergriffen hat, darlegen und beweisen.
Für die fehlende Markbekanntheit hat das Gericht im vorliegenden Fall ein Sachverständigengutachten verlangt.
Darüber hinaus muss ein konkretisiertes, auf die einzelnen Geheimnisse bzw. sonstigen vertraulichen Informationen speziell abgestelltes Geheimschutzmanagement durchgeführt werden. Der Arbeitgeber muss darlegen und beweisen, welche Geheimnisse in welcher Form und wie lange welchem Schutz unterliegen, welche Personen hiermit in Kontakt kommen und dabei verpflichtet sind, Geheimnisse des Arbeitgebers zu schützen.
Die Gerichte prüfen und bewerten diese notwendigen durch den Arbeitgeber zu ergreifenden angemessenen Schutzmaßnahmen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Von einem weltweit tätigen Unternehmen werden hierbei größere und finanziell aufwändigere Sicherungsvorkehrungen erwartet als von einem Kleinbetrieb.
Zu den angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen gehören mindestens:
- Relevante Informationen werden nur Personen anvertraut, die die Informationen zur Durchführung ihrer Aufgabe (potenziell) benötigen und zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.
- Diese Personen müssen von der Verschwiegenheitsverpflichtung in Bezug auf die fraglichen Informationen Kenntnis haben.
Wann erfolgten die Hinweise?
In welcher Form erfolgten die Hinweise und im Hinblick auf welche Information?
Gibt es schriftliche Vereinbarungen?
Wie sind diese formuliert?
- Technische Sicherheitsmaßnahmen
Zugangskontrollsysteme und IT-Sicherheit.
Welche konkreten technischen Sicherheitsmaßnahmen und Zugangskontrollen bestehen?
Wie liegen die Informationen vor?
Welchem Mitarbeitendenkreis sind die Informationen nach Überwindung der Zugangskontrollen zugänglich?
- Schulungen
Regelmäßige Schulungen von Mitarbeitenden im Umgang mit Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.
Welchen Inhalt haben die Schulungen?
Um welche vertraulichen Informationen geht es in der konkreten Schulung?
Wie häufig finden die Schulungen statt?
Mit welchen Teilnehmenden finden die Schulungen statt?
- Konkrete transparente arbeitsvertragliche Regelungen
Im vorliegenden Fall wurde vom Arbeitgeber zusätzlich die Rückforderung von Unterlagen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt.
Die arbeitsvertraglichen Regelungen zur Geheimhaltung müssen demzufolge eine Konkretisierung der Regelungen des GeschGehG enthalten. Arbeitgeber müssen die zu schützenden Daten und Sachverhalte für Mitarbeitende beispielhaft erläutern. Zusätzlich muss der Arbeitgeber bestimmen, wie lange nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses die jeweilige geheimhaltungsbedürftige Tatsache geheim zu halten ist. Das Gericht zitiert hierbei das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Dieses sieht eine maximale Obergrenze von zwei Jahren vor. Liegen aus Sicht des Arbeitgebers länger schützenswerte Sachverhalte vor, wird der Arbeitgeber auch dies in seiner arbeitsvertraglichen Regelung konkret ausführen müssen.
Darüber hinaus müssen Arbeitgeber neben einer wirksam vereinbarten Geheimhaltungspflicht im Arbeitsvertrag auch die vorstehend geschilderten sonstigen weiteren Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen implementieren.