Immobilien- & Baurecht
Gebäudetyp-E-Gesetz: Gesetzgeberische Initiative um einfaches Bauen über das Absenken der Qualitativen Standards zu ermöglichen?
Der Gesetzentwurf
Mit dem Gesetz zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus, kurz „Gebäudetyp-E-Gesetz“ will der deutsche Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für den Bau und den Umbau von Gebäuden in Deutschland einfacher und kostengünstiger gestalten.
„Einfaches“ oder „experimentelles“ Bauen soll den Wohnraummangel in Deutschland beseitigen helfen, weil dadurch Baukosten reduziert werden können. Mit dem Verzicht (nur) auf die sich aus den zwingend zu beachtenden anerkannten Regeln der Technik ergebenden Komfortstandards soll dabei eine Einsparung von bis zu 10 % der Herstellungskosten ermöglicht werden.
Die sich aus den anerkannten Regeln der Technik ergebenden Sicherheitsstandards sollen unverändert weiter zu beachten sein. Bewerkstelligen will der Gesetzgeber das mit einer neuen Vermutungsregelung für den Bauwerkvertrag in § 650a Abs. 3 BGB-E, wonach bautechnische Normungen, die sicherheitstechnische Festlegungen enthalten, weiterhin anerkannte Regeln der Technik sind und dem hingegen bautechnische Regelungen, die reine Ausstattungs- und Komfortmerkmale abbilden, keine anerkannten Regeln der Technik mehr sein sollen.
Außerdem soll der Vertragstyp des „Gebäudebauvertrags zwischen fachkundigen Unternehmern“ als § 650o BGB-E neu in das Gesetz eingefügt werden. Hier soll der Unternehmer den Besteller nicht mehr über die Risiken und Konsequenzen des Abweichens von den anerkannten Regeln der Technik aufklären müssen (§ 650o Abs. 2 BGB-E) und das Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik soll dann keinen Sachmangel darstellen, wenn die dauerhafte Sicherheit und Eignung des Gebäudes gewährleistet ist, der Unternehmer das Abweichen vor der Ausführung anzeigt und der Besteller dem nicht unverzüglich widerspricht (§ 650o Abs. 3 BGB-E).
Nur die Vermutungswirkung des § 650a Abs. 3 BGB-E, nicht aber die Modifikationen des „Gebäudevertrags zwischen fachkundigen Unternehmern“ sollen für Werk- und Bauverträge mit Verbrauchern gelten.
Mögliche sich daraus für das Mietrecht ergebende Probleme sollen –oberhalb der Grenze der Eignung zum vertragsgemäßen Verbrauch - dadurch für Vermieter handhabbar bleiben, dass diese ggf. Beschaffenheiten der Mietsache mit niedrigeren Ausstattungs- und Komfortstandards ggü. der Norm (wie z.B. eine geringere Trittschalldämmung) ausdrücklich im Mietvertrag vereinbaren können und sollten. Das Gesetz soll nach den Vorstellungen des BMJ im Frühjahr 2025 in Kraft treten.
Ein vorsichtiger Ausblick zum aktuellen Stand
Zu kritisieren ist an dem Referentenentwurf, dass die Vermutungsregelung für den Bauwerkvertrag in § 650 a Abs. 3 BGB-E voraussetzt, bautechnische Normungen ließen sich immer ohne weiteres danach unterscheiden, ob sie sicherheitstechnische Festlegungen enthalten oder ob sie bautechnische Regelungen darstellen, die reine Ausstattungs- und Komfortmerkmale abbilden. Solche Abgrenzungsfragen schaffen von der Rechtsprechung erst noch zu entscheidende Rechtsunsicherheiten.
Darüber hinaus wird nur in Bezug auf die für die bauliche Errichtung von Gebäuden geltenden anerkannten Regeln der Technik ein neues Haftungsregime geschaffen, was zu einer Aufspaltung des Rechts führen wird.
Schließlich schafft die Unterscheidung zwischen Unternehmern und fachkundigen Unternehmern in § 650o BGB- E unnötige Rechtsunsicherheiten.
Die Aufspaltung des Sachmängelhaftungsrechts in § 650o BGB-E ist darüber hinaus nicht praxisgerecht und führt zu Problemen im Abwicklungsprozedere.
Schließlich ist zu bezweifeln, dass die Praxis die B2B Regelungen annehmen wird. Denn Vereinfachungen und Erleichterungen in der Errichtung und Abwicklung, die nur für die neuen Gebäudebauverträge zwischen fachkundigen Unternehmern gelten sollen, kann der Bauträger nicht nutzen. Denn mit niedrigeren Komfort- und Ausstattungsstandards im B2B-Bereich errichtete Gebäude werden im B2C-Bereich schließlich doch an den dort aus Verbraucherschutzgründen zu beachtenden höheren Standards gemessen, so dass sich für den Bauträger eine Haftungsschere öffnet, die er nach der Rechtsprechung nur dadurch effektiv schließen kann, dass er mit erhöhtem Aufwand 1) die sich daraus ergebenden Aufklärungs- und Hinweispflichten beachtet und 2) individualvertraglich rechtssichere Regelungen mit dem Verbraucher trifft.
Besteht Handlungsbedarf?
Sollte das Gesetz so verabschiedet werden – was heute allerdings noch nicht sicher ist, weil das BMJ eine Überarbeitung angekündigt hat - entsteht ein Überarbeitungsbedarf für Bauverträge im B2C Bauträgerbereich im B2B GU-Vertragsbereich und im B2B- NU-Vertragsbereich sowie im Mietrecht im Falle der Vermietung von Objekten, die mit geringeren Komfort- und Ausstattungsstandards errichtet worden sind.