Immobilien- & Baurecht
Wertsicherungsklauseln in Gewerberaummietverträgen können aufgrund AGB-Kontrolle mit Rückwirkung unwirksam sein
OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.06.2025
Einleitung
In Gewerberaummietverträgen sind Wertsicherungsklauseln, durch die der Mietzins einer Indexierung unterliegt, gängige Praxis. Stets unterliegen solche Klauseln den speziellen Wirksamkeitsvoraussetzungen des Preisklauselgesetzes (PrKG). Eine Besonderheit des PrKG ist dabei, dass ein Verstoß gegen dessen Bestimmungen nicht die Unwirksamkeit der relevanten Wertsicherungsklausel von Anfang an zur Folge hat, sondern dass die Unwirksamkeit erst ab dem Zeitpunkt einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung eintritt (§ 8 PrKG). Die Klausel ist bei einem Verstoß gegen das PrKG also nicht „automatisch“ unwirksam, sondern bleibt so lange wirksam, bis ihre Unwirksamkeit gerichtlich festgestellt ist (was bei mehreren Instanzen unter Umständen Jahre dauern kann).
Daneben können Wertsicherungsklauseln rechtlich häufig auch als von einer Partei des Mietvertrages – i.d.R. vom Vermieter – gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu qualifizieren sein. Anders als das PrKG sehen die Vorschriften des BGB bei einem Verstoß gegen die gesetzlichen AGB-Vorschriften die Unwirksamkeit der relevanten Vertragsklausel mit Rückwirkung von Anfang an vor (vgl. § 306 BGB). Es ist umstritten und bisher nicht höchstrichterlich geklärt, ob sich die Wirksamkeit einer Wertsicherungsklausel ausschließlich nach dem PrKG richtet (und damit bei einem Verstoß nur mit Wirkung ab einer gerichtlichen Feststellung) oder ob daneben auch das AGB-Recht zur Anwendung kommen kann, mit der Folge, dass die Wertsicherungsklausel bei einem relevanten Verstoß mit Rückwirkung von Anfang an unwirksam wäre.
Entscheidung des OLG Düsseldorf
Das OLG Düsseldorf hat sich in seiner Entscheidung vom 05.06.2025 (Az: I-10 U 146/24) nun klar dahin positioniert, dass eine Wertsicherungsklausel, welche gegen AGB-Vorgaben verstößt, ohne Rücksicht auf das PrKG mit Rückwirkung von Anfang an unwirksam ist. Diese Entscheidung ist von hoher Relevanz für die Immobilienpraxis.
Die vereinbarte Wertsicherungsklausel in dem Mietverhältnis mit Beginn 01.09.2019 (Vertragsschluss 28.08.2019) lautete:
„1) Die Miete bleibt für 24 Monate, d.h. bis zum Ablauf des 31.08.2021 fest. Danach erfolgen Mieterhöhungen aufgrund nachstehender Regelungen.
2) Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex für Deutschland – VPI gegenüber dem für Mai 2017 veröffentlichten Index, so ändert sich automatisch die Miete im gleichen Verhältnis. Die Änderung der Miete wird ab dem auf die Änderung folgenden Monat und nach schriftlicher Aufforderung durch den Vermieter wirksam. Bei jeder weiteren Indexänderung gegenüber der jeweils letzten Änderung der Miete ist diese Regelung entsprechend anwendbar. Die Parteien vereinbaren ab September 2019 als Ausgangswert für die Indexierung des Mietzinses 100 % = 1.748,00 €. Als Miete im Sinne dieser Regelung gilt hier die Nettokaltmiete.“
In dem relevanten Fall hat das OLG Düsseldorf als Berufungsgericht zunächst der Ausgangsinstanz dahin recht gegeben, dass die betroffene Wertsicherungsklausel als eine vom Vermieter gestellte AGB anzusehen ist. Das Urteil ist in dieser Hinsicht ein weiteres Mal ein Beleg, dass von der Rechtsprechung hohe Anforderungen an den Nachweis von individuell ausverhandelten Vereinbarungen anstelle der Annahme von AGB gestellt werden. Sodann bestätigte das OLG Düsseldorf das Urteil der ersten Instanz dahin, dass die relevante Wertsicherungsklausel aus zwei Gründen gegen die gesetzlichen AGB-Vorgaben (§§ 307 ff. BGB) verstößt:
- Zum einen benachteiligte die Klausel den Mieter unter Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB unangemessen, weil sie auf einen Indexstand als Ausgangspunkt abstellte, der mehr als zwei Jahre vor dem Mietbeginn lag, wodurch der Mieter bereits ab Vertragsbeginn eine inflationsbedingt erhöhte Miete zu zahlen hatte. Da der Mieter aus Sicht des Gerichts für diese Erhöhung der Miete keine Gegenleistung erhält, lag eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 BGB vor.
- Zum anderen beanstandete das OLG Düsseldorf die Wertsicherungsklausel als intransparent i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da der darin vereinbarte Anpassungsmechanismus widersprüchlich war. Einerseits sollte die Miete „automatisch“ mit Indexveränderung steigen, andererseits wurde deren Wirksamkeit „von einer schriftlichen Aufforderung des Vermieters“ abhängig gemacht.
Aufgrund der festgestellten unangemessenen Benachteiligung des Mieters und zugleich der Intransparenz der Wertsicherungsklausel war diese aus Sicht des OLG Düsseldorf somit insgesamt von Anfang an unwirksam und konnte keine Mietanpassungen rechtfertigen. Der Mieter war daher berechtigt, sämtliche auf Grundlage der Wertsicherungsklausel gezahlten Erhöhungsbeträge – in den Grenzen der Verjährung – vom Vermieter gemäß § 812 BGB zurückzufordern.
Die relevante Streitfrage
Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass sowohl das PrKG als auch die AGB-Regelungen des BGB für die Wirksamkeit einer Wertsicherungsklausel die Beachtung des Transparenzgebots sowie des Verbots einer unangemessenen Benachteiligung voraussetzen. Teile der juristischen Literatur und vor kurzem auch ein anderes Oberlandesgericht (OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 05.02.2024) sehen vor diesem Hintergrund das PrKG als vorrangige Spezialregelung an, so dass eine Wertsicherungsklausel auch bei Qualifizierung als AGB nicht mit Rückwirkung von Anfang an unwirksam sein kann. Angesichts des Umstands, dass Wertsicherungsklauseln zumeist als AGB vereinbart werden, würde das PrKG ohne einen solchen Vorrang, so ein wesentliches Argument dieser Ansicht, praktisch ins Leere laufen.
Die entscheidende Frage ist daher, ob dem PrKG ein genereller Vorrang im Sinne eines „lex specialis“ zukommt.
Das OLG Düsseldorf lehnt dies in dem Urteil nach detaillierter rechtlicher Prüfung ausdrücklich ab. Ausgehend von der Tatsache, dass eine explizite Klarstellung des Gesetzgebers für das Verhältnis des PrKG zum allgemeinen Zivilrecht fehlt, kommt es aus Sicht des OLG Düsseldorf maßgeblich auf den Sinn und Zweck des PrKG einerseits und des AGB-Rechts andererseits an. Das OLG Düsseldorf erkennt dabei unterschiedliche Regelungsziele: Während das PrKG auf das öffentliche Interesse am Schutz vor inflationären Tendenzen in Verträgen abziele, diene die AGB-rechtliche Kontrolle der Prüfung, ob die Interessen der beiden Parteien eines Vertrages angemessen berücksichtigt werden. Daraus folgt für das OLG Düsseldorf, dass eine nach dem PrKG wirksame Klausel nicht zwangsläufig und ohne weiteres auch mit einer nach AGB-Recht unbedenklichen Regelung gleichzusetzen ist. Da sich auch aus den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte dafür ergeben würden, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des PrKG allgemein anwendbare Vorschriften des BGB einschränken wollte, kommt das OLG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass ein „tragfähiger Grund, eine Preisklausel nicht sämtlichen Vorschriften des BGB zu unterwerfen, nicht ersichtlich“ ist.
Folgen des Urteils für die Praxis
Angesichts des Umstands, dass sich das OLG Düsseldorf mit seiner Entscheidung gegen die erwähnte jüngere Entscheidung des OLG Schleswig gestellt hat, hat es die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, die auch eingelegt wurde (Az: XII ZR 51/25).
Bis zur höchstrichterlichen Klärung besteht in der sehr praxisrelevanten Frage, ob eine Wertsicherungsklausel wegen Verstoß gegen AGB-Recht mit Rückwirkung unwirksam sein kann, somit anhaltende Rechtsunsicherheit. Das Urteil des OLG Düsseldorf dürfte insbesondere für Mieter ab jetzt aber einen Anhaltspunkt bieten, eine geltende Wertsicherungsklausel genau auf die Qualifizierung als AGB-Klausel sowie auf mögliche Unwirksamkeitsgründe nach dem AGB-Recht zu prüfen (und ggf. als Folge zu viel gezahlte Miete vom Vermieter zurückzufordern). Für Vermieter gilt, dass bei der Gestaltung von Wertsicherungsklauseln neben dem PrKG auch sorgfältig auf die Anwendbarkeit des AGB-Rechts und seiner Vorgaben zu achten ist.