Immobilien- & Baurecht
Das Baugrundrisiko bei Bauverträgen – Risikoübernahme des Bauunternehmers trotz Empfehlung durch den Baugrundgutachter des Bauherrn
OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.2023 - 2 U 90/22; BGH, Beschluss vom 11.06.2025 - VII ZR 24/24 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
Einleitung
Das Baugrundrisiko ist ein „Dauerbrenner“ der Bau- und Gerichtspraxis. Die Kosten für erforderliche Erdbau-, Gründungs-, Abdichtungs- und Rohbauarbeiten können diesbezüglich sprichwörtlich explodieren. Zudem haben sich dabei Spezialdisziplinen herausgebildet, sodass auch die Einschaltung von weiteren Spezialisten notwendig werden kann (u.a. sog. „WU-Planung“ für wasserundurchlässige Betonkonstruktionen). Der Streit, wer das Risiko für Mehrkosten aus dem Baugrund trägt, wird daher intensiv und bei fast jedem Bauprojekt geführt.
Baugrundrisiko
Unter dem Baugrundrisiko versteht man allgemein das Risiko, dass die angetroffenen geotechnischen Verhältnisse von den erwarteten geotechnischen Verhältnissen abweichen. Das Baugrundrisiko realisiert sich somit immer dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass das Baugrundstück andere Bodeneigenschaften aufweist als ursprünglich angenommen.
Wer das Risiko trägt, richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen und den konkreten Umständen des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 20.08.2009 – VII ZR 205/07). Der häufig eingesetzte Leitsatz „Das Baugrundrisiko trägt der Bauherr“ ist daher unzutreffend. Der Bauherr trägt nur dann das Risiko, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Nur dann zählt der Baugrund zu den „Stoffen“, die der Bauherr bereitstellt und damit das Risiko trägt (vgl. § 645 BGB, BGH, Urteil vom 28.01.2016 – I ZR 60/14).
Zu diesem Risiko hat das OLG Naumburg eine praxisrelevante Entscheidung zu Empfehlungen des Baugrundgutachters gefällt.
Sachverhalt:
Ein Bauunternehmen (Spezialtiefbauer) wurde als Subunternehmer u.a. mit Arbeiten für einen Spundbauwandverbau beauftragt. Der Beauftragung liegt ein Baugrundgutachten zu Grunde. Dieses wurde durch den Bauherrn in Auftrag gegeben. Der Spezialtiefbauer entschied sich bei dem Einbringen der Spundwände in den Boden für das Verfahren „Einvibrieren mit Lockerungsbohrungen“, welches in dem Baugrundgutachten nur eingeschränkt empfohlen wurde. Während des Einbringens kam es aufgrund schwieriger Bohrbarkeit und Vibrationsfähigkeit des Bodens zu massiven Störungen. Die Spundwände konnten nicht in den Boden eingetrieben werden. Zudem wurden dabei Geräte des Spezialtiefbauers beschädigt. Dem Spezialtiefbauer seien folglich zusätzliche Kosten und Schäden entstanden. Diese machte er mit einer Klage gegen seinen Auftraggeber geltend. Ebenso nahm er den Baugrundgutachter des Bauherrn auf Schadensersatz in Haftung, da das Baugrundgutachten fehlerhaft sei.
Entscheidung:
Das OLG Naumburg weist die Klage des Spezialtiefbauers vollständig ab. Ein Anspruch auf Mehrvergütung liegt nicht vor. Es liegt keine Leistungsänderung bzw. zusätzliche Leistung im Sinne des § 2 Abs. 5, 6, 8 VOB/B vor. Auch eine Haftung des Baugrundgutachters wurde abgelehnt.
Es war nach den vertraglichen Vereinbarungen Aufgabe und Risiko des Spezialtiefbauers ein geeignetes Einbringungsverfahren für die Spundwände zu wählen:
Das OLG kommt zum einen zu dem Schluss, dass das Baugrundgutachten dem vorgefundenen Boden entspricht. Der Bauunternehmer muss darlegen und beweisen, dass seine Vertragsleistung durch eine abweichende Beschaffenheit der Bodenschichten von dem vom Auftraggeber mitgeteilten Baugrundmodell erheblich erschwert wurde. Konkrete Abweichungen muss er vortragen. Diesen Vortrag hat der Spezialtiefbauer bereits nicht geleistet.
Zum anderen stellt das OLG fest, dass in dem Vertrag/Leistungsverzeichnis kein bestimmtes Einbringungsverfahren vorgegeben wurde. Auch in dem angegriffenen Baugrundgutachten wurde kein Verfahren vorgegeben. Die dortige Erwähnung des „Einvibrieren mit Lockerungsbohrungen“ war bereits keine konkrete Vorgabe zur Ausführung. Zudem wurde gerade im Gegenteil beschrieben, dass dieses Verfahren nur eingeschränkt tauglich ist. Es wurde gerade nicht als beste oder geeignetste Ausführung empfohlen, sondern nur „eingeschränkt“.
Das Spezialunternehmen als Fachunternehmen kann sich bei dieser Leistungsbeschreibung und ausdrücklichen Angaben in dem Baugrundgutachten auch nicht darauf berufen kann, dass das Leistungsverzeichnis bzgl. der Bauverfahrenswahl lückenhaft sei. Der Werkerfolg war ausreichend funktional beschrieben.
Als Fachunternehmen hatte es ein geeignetes Verfahren für die Herstellung des Spundwandverbaus anzubieten und die Aufwendungen hierfür angemessen zu kalkulieren. Ein Fachunternehmen kann sich daher nicht darauf berufen, dass ein von ihr in eigener Verantwortung ausgewähltes Verfahren sich nachträglich als ungeeignet erweist und ein erheblicher Mehraufwand zur Leistungserbringung notwendig macht.
Unabhängig davon, ob überhaupt ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter durch das Baugrundgutachten ausgelöst wird, haftet auch der Baugrundgutachter nicht. Er hat aus den o.g. Gründen kein konkretes Einbringungsverfahren empfohlen. Zudem war das Baugrundgutachten im Übrigen richtig.
Bedeutung für die Praxis
Dieser Fall zeigt erneut, dass das „Baugrundrisiko“ von einem Bauunternehmen übernommen werden kann. Die vertraglichen Vereinbarungen und die Formulierungen der Leistungsverzeichnisse und Baugrundgutachten sind entscheidend.
Bloße Empfehlungen in Baugrundgutachten sind in diesem konkreten Fall lediglich unterstützende Hinweise und keine verbindlichen Vorgaben. Wählt ein Unternehmen die falsche Verfahrensart, muss dieses selbst für die Mehraufwände und Schäden aufkommen.
Auch wird erneut deutlich, wie wichtig die vertragliche Gestaltung und Formulierung der Ausschreibungsunterlagen bezüglich der Haftung und Risikoübernahme ist. Geringe Unterschiede in den Formulierungen können erhebliche finanzielle Auswirkungen haben.