INTERNATIONAL
Afrika – Chancenkontinent mit Handlungsbedarf
Unternehmen und Investoren aus aller Welt entdecken Afrika neu. In vielen der noch jungen Staaten des bevölkerungs- und rohstoffreichen Kontinents entstehen neue Megacities mit Mittelschichten, die nach Wohlstand, Bildung und Jobs streben. Die Wachstumsszenarien von Wirtschaftsexperten für den Kontinent sind schwindelerregend. Die riesigen Chancen, aber auch den Wettbewerb, mit dem deutsche Unternehmen bei ihren Investments auf dem afrikanischen Kontinent zu rechnen haben, bringt ein Zitat der nigerianischen Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO), Ngozi Okonjo-Iweala, auf den Punkt: „Wenn wir mit China sprechen, bekommen wir einen Flughafen. Wenn wir mit Deutschland sprechen, bekommen wir einen Vortrag.“
Rasantes Wachstum
Afrika gilt als Boom-Region der Zukunft schlechthin. Allein die Zahlen beeindrucken: Die Bevölkerung der 54 afrikanischen Staaten dürfte sich bis 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen fast verdoppeln. Bis 2035 wird in Afrika das größte Arbeitskräfteangebot weltweit mit 20 Millionen neuen Arbeitsplätzen pro Jahr entstehen. In dieser Zeit könnte auf dem Kontinent mehr gebaut werden als in Europa in den letzten 100 Jahren.
Schon jetzt liegen sechs von zehn der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit in Afrika. Diese Ökonomien sind nicht mehr nur Rohstofflieferanten oder Absatzmärkte für Billigprodukte, sondern werden Akteure im weltweiten Wirtschaftsgeschehen. Auch wenig rohstoffreiche Staaten bauen ihre Zukunft und ziehen Investitionen an. Dort entwickeln sich kaufkräftige Mittelschichten, und junge, gut ausgebildete Menschen bleiben im Land, statt in der Migration ihr Glück suchen zu müssen.
Die Logik solcher Entwicklungsszenarien ist einfach: Investitionen in Wirtschaft und Infrastruktur vor Ort bringen Arbeitsplätze, erschließen Märkte und schaffen Stabilität, Bildung und Wohlstand. Allen voran die Weltmächte China und USA dringen mit Macht und Can-do-Mentalität in diese afrikanischen Zukunftsräume vor. Mit ihren globalen und – vor allem im Falle Chinas – auch staatlich betriebenen oder abgesicherten Unternehmen denken und handeln sie in großen Dimensionen und Investitionen. Vor allem über die eingangs genannten Projektentwicklungen verbessern sie Infrastruktur und Wirtschaft vor Ort – und verdrängen den weniger strukturiert und offensiv agierenden Wettbewerb aus Europa.
Und die Deutschen?
Die exportstarke und agile deutsche Wirtschaft zeigt klares Interesse an Afrika. Große wie mittelständische deutsche Unternehmen sind mit Technologie-Kompetenz und Knowhow vielfältig engagiert. Jedoch bleibt das deutsche Wirtschaftsengagement in Afrika mit weniger als einem Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen schwach.
Gute Perspektiven – regional verschieden
Dabei bieten sich für unternehmerisches Engagement in Afrika gute Perspektiven. Natürlich gibt es regional große Unterschiede – kein Wunder bei diesem so vielfältig geprägten Kontinent. Traditionell im Fokus deutscher Unternehmen stehen neben den arabischen Staaten Nordafrikas vor allem die Länder der Subsahara-Region.
Schwieriger sieht es in der Sahel-Region mit Ländern wie Mauretanien, Mali, Niger, Burkina Faso oder dem Tschad aus. Hier verhindern mangelnde wirtschaftliche Perspektiven, islamistische Rebellengruppen und fehlender Zugang zu Wasser, Strom, Bildung und Arbeit stabile Rahmenbedingungen.
Problem Rechtssicherheit
Auch bei den rechtlichen Rahmenbedingungen – für Unternehmen und Investoren ein zentrales Kriterium – bietet Afrika ein sehr gemischtes Bild. Viele der französischsprachigen Staaten in Subsahara-Afrika gehören der Staatenorganisation OHADA an und verfügen über ein teilweise vereinheitlichtes Wirtschaftsrecht, das dem französischen ähnelt. Die englischsprachigen Staaten Afrikas dagegen haben keine vereinheitlichten Rechtsstrukturen. Sie orientieren sich meist am angelsächsischen Common Law mit seinem einzelfallbezogenen Vertragsrecht und dem speziellen Richter- und Prozessrecht. Staaten wie Südafrika und Kamerun wurden durch Common Law wie auch durch kontinentaleuropäisches Recht geprägt und weisen eine entsprechende Mischung auf.
Als Wirtschaftsraum ist Afrika also ein Flickenteppich verschiedener Rechts- und Verwaltungssysteme. Die mangelnde Rechtsvereinheitlichung hemmt die Entwicklung des Kontinents und Unternehmen in ihrem Aktionsradius. Ein bekanntes Problem bleibt in Teilen Afrikas zudem mangelnde Rechtssicherheit durch Behördenwillkür und Korruption sowie parteiische Gerichte. Dabei gibt es durchaus positive Beispiele, wie jüngere Praxiserfahrungen in Marokko und Tunesien gezeigt haben.
Selbstverständlich respektieren auch Partner in afrikanischen Staaten grundsätzlich geschlossene Verträge – bei einer notwendigen Rechtsdurchsetzung kann es aber schwierig werden.
Recht haben und Recht durchsetzen
Meist sollte man in solchen Fällen zunächst außergerichtlich eine gute Einigung anstreben. Wenn etwa ein afrikanischer Abnehmer wegen eines Liquiditätsengpasses seine Zahlungen einstellt, helfen oft Fingerspitzengefühl und ein realistischer Zahlungsplan mit dem Schuldnerunternehmen. Um die richtige Strategie zu wählen, muss man hier wie überall die tatsächliche Situation der Akteure und die lokale Kultur und Rechtsordnung kennen.
Bei Konflikten sind in aller Regel zuvor getroffene Streitbeilegungsklauseln mit Schiedsabreden hilfreich. Bei Rechtsverletzung durch einen staatlichen Akteur können bestehende Investitionsschutzabkommen mit Streitbeilegungsmechanismen vor internationalen Schiedsgerichten segensreich wirken.
Afrika-Risiken wachsen
Dennoch muss klar sein: Investieren in Afrika bleibt mit Risiken verbunden. Anpassung an volatile Gegebenheiten und hohe Flexibilität sind eine Grundtugend für deutsche Unternehmen vor Ort. Der bei uns übliche nüchtern-kühle Business-Stil funktioniert meist nicht gut; was zählt, sind vielmehr Aspekte wie Beziehung und Netzwerk, Gemeinsamkeit und Vertrauen.
Wachsende Compliance-Pflichten bringen weitere Risiken in der Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen in Afrika. Allein die neuen Lieferketten-Sorgfaltspflichten in Deutschland und bald der gesamten EU schaffen immense Risikomanagement- und Dokumentationspflichten, denen chinesische und US-Wettbewerber so nicht unterworfen sind. Für ein Engagement in risikobehafteten Märkten wie Afrika wirken solche Regelwerke alles andere als stimulierend.
Ein Dschungel von Förderprogrammen und Initiativen
Fakt ist: Die deutsche Wirtschaft droht aktuell Chancen und Entwicklungen in Afrika zu verpassen und gegen offensive Wettbewerber wie China und die USA weiter an Boden zu verlieren. Die Gründe sind vor allem hausgemacht: Deutsche Unternehmen blieben lange weitgehend auf eigene Initiative und Risikobereitschaft angewiesen, wenn sie in afrikanischen Ländern Geschäfte machen wollten. In der deutschen Politik ist Afrika zwar seit langem Thema der Entwicklungspolitik, jedoch erst seit relativ kurzem auch der Wirtschaftsförderung.
Immerhin initiiert und unterstützt der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, der vom DAX-Unternehmen bis zum Start-up rund 85 Prozent der Afrika-Aktivitäten deutscher Unternehmen repräsentiert, mit seinen exzellenten Netzwerkkontakten den Austausch zwischen deutschen und afrikanischen Vertretern aus Wirtschaft und Politik. Auch gibt es eine Vielzahl lobenswerter Initiativen, wie etwa das 2017 unter deutscher G20-Präsidentschaft gestartete Projekt „Compact with Africa“. Hier will man Privatinvestitionen und Infrastrukturentwicklung in mittlerweile 13 teilnehmenden, „reformorientierten“ afrikanischen Ländern unterstützen. Deutsche Industrieverbände und Handelskammern positionieren sich zudem mit „Business Scouts“ und Initiativen wie „Strategische Partnerschaft Digitales Afrika“, „SAFRI Subsahara Initiative der deutschen Wirtschaft“ oder „NMI (Nordafrika Mittelost Initiative)“. Die Bundesministerien für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) bzw. für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bieten mit „AfricaConnect“, „AfricaGrow“ und dem „Wirtschaftsnetzwerk Afrika“ einen Komplex aus Beratung, Vernetzung, Finanzierung und Risikoteilung.
Begrüßenswert ist auch das neue Programm „Beratungsgutscheine Afrika“ aus dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Das Programm ermöglicht kleinen und mittleren Unternehmen, die in Afrika investieren wollen, Beratungsleistungen durch ausgewählte Dienstleister mit besonderer Afrikakompetenz in Anspruch zu nehmen. Zu den wenigen in dem Programm gelisteten Anwaltssozietäten zählt HEUSSEN.
Rechtliche Absicherung von Investitionen in Afrika unverzichtbar
Deutsche Unternehmen, die sich in Afrika bietende Chancen wahrnehmen wollen, sollten sich zuvor über Förderprogramme und Anreizsysteme informieren. Außerdem sollte das Afrika-Engagement durch erfahrene Experten aus Deutschland juristisch begleitet werden. Der Berater sollte dabei Afrika-Expertise und ein Netzwerk befreundeter Kanzleien in afrikanischen Jurisdiktionen nachweisen können. Im Gegensatz zur unmittelbaren Einschaltung lokaler afrikanischer Kanzleien unterliegt ein Ansprechpartner in Deutschland dem deutschen Berufsrecht und seine Tätigkeit ist durch eine entsprechende Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt.