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„Schein“ und „Sein“ – zur geplanten (Teil-)Verlängerung der Aussetzung der Insol-venzantragspflicht
Um die weitreichenden Folgen der Corona-Pandemie für Wirtschaftsbetriebe abzumildern, wurde das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (CovInsAG) verabschiedet. Darin ist geregelt, dass die normalerweise geltende Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit bis 30. September 2020 ausgesetzt wird, wenn die Insolvenz auf den Folgen der Corona-Pandemie beruht. So sollte in wirtschaftliche Schieflage geratenen Unternehmen die Möglichkeit gegeben werden, die Zeit zu nutzen, um ihre Wirtschaftslage wieder zu stabilisieren und – so die Hoffnung – auch unter Ausnutzung der staatlichen Förderprogramme in der Zwischenzeit wieder genug zu erwirtschaften, dass die drohende Insolvenzgefahr von allein abgewendet werden kann.
Die Aussetzung ist zweischneidig, denn erwartungsgemäß werden nicht alle betroffenen Unternehmen den Turnaround schaffen. Es wurde vor dem Effekt der „Zombieunternehmen“ gewarnt, die, ohne eigentlich noch dazu in der Lage zu sein, auf dem Markt „herumwandeln“ und andere Unternehmen „anstecken“, indem sie durch ihre mangelnde Zahlungsfähigkeit auch solche Unternehmen in wirtschaftliche Not bringen, die mit ihnen in Geschäftsbeziehung stehen. Daher wurden Stimmen laut, die Insolvenzantragspflicht schnellstmöglich wieder einzuführen. Die Gegenposition machte sich für eine weitere Verlängerung der Aussetzung der Antragspflicht stark, da mit dem befürchteten Ausscheiden vieler Unternehmen aus dem Markt auch viele Arbeitsplätze verloren gehen würden.
Vor diesem Hintergrund wurde am 2. September 2020 von der Bundesregierung ein scheinbarer Kompromiss beschlossen – der noch in den Bundestag eingebracht werden muss – der die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. Die Aussetzung der Antragspflicht für den Fall der Zahlungsunfähigkeit soll jedoch zum 30. September 2020 auslaufen.
Dass dies eine differenzierte Vorgehensweise im Sinne eines Kompromisses, je nach „Schwere“ der wirtschaftlichen Not darstellt, erscheint nur auf den ersten Blick so. Denn in der Praxis führt eine bilanzielle Überschuldung allein ohnehin nicht zur Antragspflicht, sofern die Zahlungsfähigkeit im laufenden und nachfolgenden Geschäftsjahr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als gegeben prognostiziert werden kann. Es kommt also bei der Antragspflicht immer entscheidend auf die Zahlungsfähigkeit an. Auch ist zu berücksichtigen, dass die ganz überwiegende Anzahl von Insolvenzanträgen in der Praxis wegen oder zumindest auch wegen Zahlungsunfähigkeit und nicht allein wegen des Insolvenzgrunds der Überschuldung gestellt werden. Insofern bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich die eingeschränkte Verlängerung der Aussetzung auf die Anzahl der Insolvenzanträge auswirkt.
Fazit
Die Geschäftsführer von Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten müssen sich darauf vorbereiten, dass am 1. Oktober 2020 wieder die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit gilt und sie daher nach § 15a Abs. 1 InsO unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag stellen müssen. Wird diese Frist versäumt, droht wieder die persönliche, zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers und das Risiko der Strafbarkeit. Eine sorgfältige Zahlungsfähigkeitsprognose ist also unabdingbar.