Immobilien- & Baurecht
RECHTSPRECHUNG – Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten? Grundsatz: Im Kaufrecht Ja, im Baurecht Nein.
Wenn nach dem Immobilienkauf Mängel zutage treten, die der Verkäufer trotz Fristsetzung nicht beseitigt, muss der Verkäufer die voraussichtlichen Renovierungskosten als Schadenersatz zahlen – auch wenn der Käufer noch keine Renovierung ausgeführt hat oder gar keine Renovierung plant. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 12. März 2021 (Az.: V ZR 33/19) nunmehr klargestellt. Der für den Immobilienkauf zuständige V. Zivilsenat hat entschieden, dass weiterhin ein kaufvertraglicher Anspruch auf Ersatz der sog. „fiktiven Mangelbeseitigungskosten“ besteht. Dies ist streitig geworden, nachdem der u.a. für Bau- und Architektenverträge zuständige VII. Zivilsenat mit seinem Urteil vom 22. Februar 2018 (Az.: VII ZR 46/17) für den werkvertraglichen Anspruch – in Abkehr seiner jahrelangen Rechtsprechung – den Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten für unzulässig erklärt hatte.
1. Sachverhalt
Im nunmehr entschiedenen Fall hatte der Käufer einer Eigentumswohnung den Verkäufer u.a. auf Zahlung der voraussichtlichen und noch nicht angefallenen Mangelbeseitigungskosten verklagt. Nach Übergabe der gekauften Wohnung trat nämlich erneut Feuchtigkeit in dem Schlafzimmer des Käufers auf, zu deren Beseitigung sich der Verkäufer im Kaufvertrag verpflichtet hatte. Trotz Fristsetzung nahm der Verkäufer jedoch keine Mängelbeseitigung vor, sodass der Käufer die voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten einklagte. Der Käufer bekam Recht.
2. BGH-Entscheidung
Der BGH hat mit dem Urteil seine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung im Kaufrecht bestätigt. Im Kaufrecht kann der Käufer demnach die mangelhafte Sache behalten und als Schadenersatz entweder
- Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts (also den mangelbedingten Minderwert der Sache oder den zu viel bezahlten Kaufpreis) oder
- Ersatz der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten, wobei es unerheblich ist, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird (Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten) verlangen.
Im Werkvertragsrecht hingegenkann der Besteller die mangelhafte Sache behalten und als Schadenersatz entweder
- Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts (also den mangelbedingten Minderwert der Sache oder das zu viel bezahlte Honorar) verlangen oder
- die Mangelbeseitigung selbst durchführen und die hierfür angefallenen Kosten abrechnen und verlangen.
Im Werkvertragsrecht erlaubt der BGH die Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten nicht mehr. Die zuständigen Richter befürchteten nämlich, dass Mängel dadurch überkompensiert werden könnten: Wenn ein Bauherr mit einem kleinen Mangel leben könnte, etwa mit der falschen Fliesenfarbe, könnte er sonst trotzdem den Betrag verlangen, den das Entfernen der Fliesen und das Legen neuer Fliesen kosten würde. Der Besteller kann daher die fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht als Schadenersatz verlangen. Jedoch kann der Besteller sich entscheiden, die Beseitigung selbst durchzuführen. Hierfür kann er im Werkvertragsrecht einen Vorschuss in Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten verlangen. Der Vorschussanspruch des §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB setzt aber – anders als der Schadenersatzanspruch – voraus, dass die Beseitigung tatsächlich durchgeführt und über die hierfür angefallenen Kosten abgerechnet wird.
Dies ist der entscheidende Unterschied zum Kaufrecht, in dem es einen solchen Vorschussanspruch in § 437 BGB nicht gibt. Daher ist die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats auch nicht auf die kaufrechtliche Sachmängelhaftung zu übertragen. Die zuständigen Richter haben entschieden, dass es nicht vertretbar wäre, wenn der Käufer einer Sache die beabsichtigte Mängelbeseitigung vorfinanzieren müsste. Eine Ausnahme gilt nur im Hinblick auf die Umsatzsteuer, die – wie im Delikts- und Werkvertragsrecht - nur ersetzt werden muss, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Daher ließ der u.a. für den Immobilienkauf zuständige V. Zivilsenat die Berechnung des Schadens weiterhin nach der "fiktiven" Mängelbeseitigung zu. Beim Kauf einer Bestandswohnung sei die Gefahr einer Überkompensation nicht groß. In bereits bestehenden Wohnungen gebe es selten Mängel, mit denen der Käufer leben könnte. Mit Feuchtigkeit, Schadstoffen, Schädlingsbefall oder einer fehlenden Baugenehmigung könnten Bewohner eben nicht oder nur schlecht leben.
Eine Entscheidung des Großen Senats des BGH in dieser Frage wird es nicht geben. Dieser entscheidet, wenn die Rechtsauffassungen zweier Senate voneinander abweichen. Da die beiden Senate aber jeweils nur für ihre Zuständigkeit entschieden haben und sich Kaufrecht und Werkvertragsrecht in dem Punkt unterscheiden, ist eine Vorlage der Frage zum Großen nicht erforderlich.
3. Fazit / Praxistipp
Im Kaufrecht gibt es keine Rechtsprechungsänderung, sondern es bleibt dabei, dass ein Käufer bei einem Mangel der Kaufsache auch den Ersatz der fiktiven Mängelbeseitigungskosten verlangen kann. In der Praxis werden jedoch die Unterschiede zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht auch weiterhin im Regelfall gering ausfallen. Denn in den Fällen, in denen die fiktiven Mangelbeseitigungskosten den mangelbedingten Minderwert der Sache annähernd widerspiegeln, kann der Besteller im Werkvertragsrecht den ersatzfähigen Minderwert anhand der fiktiven Mangelbeseitigungskosten schätzen und damit im Ergebnis doch die fiktiven Mangelbeseitigungskosten verlangen. Die Einordnung des Vertrags in das Kauf- oder in das Werkvertragsrecht wird sich daher künftig vornehmlich in Fällen auswirken, in denen die Mängelbeseitigungskosten den mangelbedingten Minderwert erheblich übersteigen.