Immobilien- & Baurecht
Drunter geht es nicht – Die allgemein anerkannten Regeln der Technik als stillschweigender Mindeststandard jeder Bauleistung
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat sich in einer aktuellen Entscheidung sehr ausführlich zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik und dem „Verzicht“ auf deren Einhaltung sowie zum – insbesondere von Auftragnehmern – immer wieder gerne vorgebrachten Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung geäußert.
1. Fallbeispiel
Das OLG Brandenburg hatte über die Klage eines „Häuslebauers“ zu entscheiden, der seinen Architekten und seinen Bauunternehmer auf Schadensersatz im Zusammenhang mit der nicht fachgerechten Abdichtung seines Kellers in Anspruch nahm. Die Besonderheit dieses Falles lag darin, dass die Prozess- und Vertragsparteien im Zuge der Bauabwicklung detailliert und ausführlich über die technischen Regeln der Abdichtung (nach DIN 18195, Teil 6) kommuniziert hatten, der Kläger eine Mangelanzeige zurückgezogen und einer (von den allgemein anerkannten Regeln der Technik) abweichenden Ausführung der Kellerabdichtung ausdrücklich zugestimmt hatte. Darüber hinaus wurde von der Auftragnehmerseite die Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung eingewendet (OLG Brandenburg, Urteil vom 09.07.2020 - 12 U 76/19). Der BGH hat diese Wertung des Berufungsgerichts durch Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde (BGH, Beschluss vom 24.3.2021 – VII ZR 125/20) bestätigt.
Die Leitsätze des Urteils seien hier in aller Vollständigkeit wiedergegeben:
1. Zur Herstellung eines mangelfreien Werks ist erforderlich, dass es die vereinbarte Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
2. Üblicherweise verspricht der Auftragnehmer bei Vertragsschluss stillschweigend die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik, so dass ein Mangel vorliegt, wenn die Werkleistung diesen Erfordernissen nicht genügt.
3. Will der Auftragnehmer die anerkannten Regeln der Technik mit der geplanten Art der Ausführung unterschreiten, muss er den Auftraggeber - soweit dieser die Unterschreitung nicht aus eigener Fachkunde erkennen kann - hierauf ausdrücklich hinweisen.
4. Die Mängelbeseitigung ist unverhältnismäßig, wenn das Bestehen auf ordnungsgemäßer Vertragserfüllung mit Rücksicht auf das objektive Interesse des Auftraggebers an der ordnungsgemäßen Erfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt.
Der Auftraggeber und Kläger bekam hier also keinen Schadensersatz, obwohl die Abdichtung des Kellers nicht den Regeln der Technik entsprach.
2. Der Verzicht auf die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik
Das Oberlandesgericht kommt zu dem Ergebnis, dass es zwischen den Parteien zu einer vertraglichen Änderung hinsichtlich der Vereinbarung zur Abdichtung des Kellers gekommen sei, nachdem der Kläger – von seinen Vertragspartnern detailliert informiert – Abstand von seiner zuvor gemachten Mängelanzeige genommen hatte.
Diesem Abstandnehmen von einer Mängelanzeige gegenüber dem Auftragnehmer waren umfangreiche und detaillierte Gespräche und Korrespondenz über die Kellerabdichtung zwischen den Vertragsparteien vorausgegangen.
Der so umfassend informierte Auftraggeber konnte dann – nach Auffassung des Oberlandesgerichts Brandenburg – einer Abänderung des Bausolls hinsichtlich der Abdichtung rechtswirksam zustimmen.
Dieses Ergebnis des Oberlandesgerichts Brandenburg ist zweifellos richtig.
Es gibt keinen Grund, die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik über die Privatautonomie der informierten Parteien zu stellen. Wenn sich der Auftraggeber eines Bauvertrages, weil er entweder selber fachkundig ist oder sich fachkundig gemacht hat, dafür entscheidet, dass die Regeln der Technik keine Anwendung finden sollen, so bestimmt diese (vertragliche) Festlegung das werkvertraglich fixierte Bausoll.
3. Unverhältnismäßiger Aufwand
Das OLG Brandenburg äußert sich auch zur Verweigerung der Mängelbeseitigung wegen und Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 13 Abs. 6 VOB/B.
Der Auftragnehmer kann die Beseitigung eines Mangels dann verweigern, wenn sie „einen unverhältnismäßig hohen Aufwand“ erfordert.
Es lässt sich leicht nachvollziehen, dass sich diese Vorschrift bei Auftragnehmern sehr großer Beliebtheit erfreut.
Diese Beliebtheit führt dazu, dass diese Vorschrift regelmäßig falsch gelesen wird bzw. die falschen Dinge zueinander ins Verhältnis gesetzt werden.
Nicht ins Verhältnis gesetzt werden der ursprüngliche Aufwand zur Herstellung der Werkleistung und der Mangelbeseitigungsaufwand. Insoweit ist in Rechtsprechung und Literatur völlig einhellig anerkannt, dass der Auftragnehmer die Mangelbeseitigung bis hin zur Neuherstellung seines Werkes schuldet.
Ins Verhältnis zu setzen ist vielmehr der Aufwand für die Mangelbeseitigung zu dem Vorteil, den die Mangelfreiheit des Werkes für den Auftraggeber hat.
Dies stellt das Oberlandesgericht (in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs) noch einmal ganz ausdrücklich klar.
„Bei der Feststellung des unverhältnismäßigen Aufwandes ist maßgeblich das Wertverhältnis zwischen dem zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwand des Auftragnehmers einerseits und dem Vorteil, den die Nacherfüllung für den Auftraggeber erbringt, andererseits…. Dabei kann auch eine kostenintensive Nacherfüllung verhältnismäßig sein. Entscheidend ist in erster Linie, welchen Nutzen der Auftraggeber aus der Nacherfüllung zieht, sowie das objektiv berechtigte Interesse des Auftraggebers an der mangelfreien Vertragsleistung.“