Immobilien- & Baurecht
Wann ist eine Zwischenfrist verbindlich?
Mit Urteil vom 01.12.2020 - 10 U 124/20 hat sich das OLG Stuttgart zur Verbindlichkeit von Zwischenfristen im Bauvertrag geäußert. Ist eine Teil-Leistung unabdingbare Vorarbeit für weitere Werkleistungen, handelt es sich im Zweifel um eine verbindliche Zwischenfrist.
Sachverhalt
Der Auftragnehmer soll zwischen dem 16.07.2018 und dem 31.08.2018 Dachabdichtungsarbeiten ausführen. Es folgt eine Baubesprechung, in der vereinbart und protokolliert wird, dass Gerüstarbeiten sowie eine Dachrandsicherung zum 23.07.2018 erbracht werden sollen, damit ein Vorunternehmer Lüftungskanäle auf dem Dach demontieren kann. Am 23.07.2018 ist das Gerüst lediglich teilweise aufgebaut, die Dachrandsicherung fehlt komplett. Daraufhin setzt der Auftraggeber eine Nachfrist, die ebenfalls ergebnislos abläuft. Es folgt die Kündigung des Bauvertrages. Der Auftragnehmer klagt die Restvergütung für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen ein. Zwischen den Parteien war die Geltung der VOB/B vereinbart.
OLG-Entscheidung
Das OLG weist die Klage ab, weil es die Kündigung für zulässig erachtet.
Bei der vereinbarten Zwischenfrist handle es sich zwar nicht um die Verzögerung mit dem Beginn der Ausführung bzw. dem Verzug mit der Vollendung gemäß § 5 Abs. 4 VOB/B. Das Vertragswerk der VOB/B enthält hier aber nach Auffassung des OLG Stuttgart eine Lücke, die nach dem Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise zu schließen ist. Dies führt dazu, dass ein Schadensersatzanspruch auch wegen Verzugs mit einer Einzelfrist in Betracht kommen kann, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass diese Frist von maßgeblicher Bedeutung für den Bauablauf ist. So lag der Fall hier, weil es sich bei der Erstellung des Gerüsts bzw. der Dachsicherung um eine unabdingbare Vorarbeit für die weiteren Leistungen handelte. Die Annahme einer lediglich unverbindlichen Kontrollfrist liegt fern. Den Angaben aus dem Bauprotokoll hat der Auftragnehmer auch nicht widersprochen, so dass die Frist als vereinbart gilt.
Das OLG Stuttgart hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen.
Fazit/Praxistipp
Die Unterscheidung zwischen unverbindlichen Kontrollfristen und verbindlichen Zwischenfristen betrifft regelmäßig den Einzelfall. Der Auftraggeber tut gut daran, bereits im Rahmen des Vertragsschlusses eindeutige Fristen zu vereinbaren, auch im Hinblick auf bedeutsame Zwischenfristen. Ansonsten muss er die Kündigung auf einen wichtigen Grund gemäß § 648 a BGB stützen. Danach ist erforderlich, dass dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werkes nicht mehr zugemutet werden kann. Dies gilt auch bei der Überschreitung von Vertragsfristen. Auch hier handelt es sich aber häufig um Einzelfallentscheidungen, so dass, wie ausgeführt, eine möglichst exakte Regelung etwaiger Fristen die bessere Alternative ist.