Immobilien- & Baurecht
Novellierung der SoBoN – Das neue Modell 2021 ist beschlossen
Die Novellierung der „Verfahrensgrundsätze zur Sozialgerechten Bodennutzung“ – kurz SoBoN – wurde am 28. Juli 2021 durch den Münchner Stadtrat beschlossen. Damit wird nunmehr die bereits im März letzten Jahres in der Koalitionsvereinbarung von SPD, Die Grünen, Rosa Liste und Volt angekündigte Weiterentwicklung der SoBoN umgesetzt.
I. Pläne nach der Münchner Koalitionsvereinbarung
Ursprünglich war angedacht, ein Ankaufsmodell und ein Bestandsmodell einzuführen.
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Ankaufsmodell: Verpflichtender Verkauf von 50% der Entwicklungsflächen an LHM
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Bestandsmodell: Verpflichtung zu 100 % Mietwohnungsbau
Eine grundsätzliche Einführung zu dem Regelwerk der SoBoN und Einzelheiten zu den ursprünglichen Novellierungsvorschlägen finden Sie in unserem vorangegangen Blogbeitrag „Novellierung der SoBoN – Pläne für die zukünftige Stadtentwicklung nach der Münchner Koalitionsvereinbarung“.
II. Das 100-Punkte-Baukastenmodell
Diese doch sehr deutliche Verschärfung der SoBoN stieß bereits im Vorfeld auf heftige Kritik, sodass ein flexibleres Regelwerk konzipiert wurde: das 100-Punkte-Baukastenmodell.
Mit diesem Baukastenmodell geht eine grundlegende Neuerung der SoBoN einher. Einem Planungswilligen stehen künftig Grund- und Sonderbausteine zur Auswahl, anhand derer er sich seinen „Baukasten“ zur Übernahme der durch das Vorhaben ausgelösten Kosten und Lasten zusammenstellen kann. Hierbei kann ein Planungswilliger zwischen verschiedenen Verpflichtungen wählen, welche je nach Art, Quote und Bindungsdauer verschiedene Punktzahlen bedeuten. Insgesamt muss ein Planungswilliger 100 Punkte erreichen, um einen städtebaulichen Vertrag mit der LHM abschließen zu können.
1. Das Grundmodell
Zunächst können Planungswillige das Grundmodell wählen. Dieses erreicht die notwendigen 100 Punkte und besteht standardmäßig auf den folgenden Bausteinen:
Baustein 1: 60 % geförderter und preisgebundener Wohnungsbau, davon
- 20 % EOF
- 20 % Münchner Modell-Miete
- 20 % preisgedämpfter Mietwohnungsbau (PMB)
Baustein 2: 80 % der WE unterliegen Aufteilungsverbot bzw. -beschränkung in WEG
Hiervon werden die 60% der geförderten und preisgedämpften Mietwohnungen nach Baustein 1 erfasst. Zusätzlich unterliegen 20 % der freifinanzierten Mietwohnungen einem Verbot bzw. Beschränkung der Aufteilung in WEG.
Baustein 3: 40 Jahre Bindungsdauer
Die Verpflichtungen nach Baustein 1 und Baustein 2 müssen für 40 Jahre eingegangen werden.
Baustein 4: Sozialer Infrastrukturkostenbeitrag i. H. v. 175 EUR/m² Wohnen
Je geschaffenem Quadratmeter Geschossfläche Wohnen sind 175 EUR als Beitrag für die Herstellung der ursächlichen sozialen Infrastruktur an die LHM zu zahlen.
Unabhängig von den übernommenen Pflichten nach dem Baukasten (egal, ob das Grund- oder ein Sondermodell gewählt wird) muss immer zusätzlich die ursächliche technische und grüne Infrastruktur unentgeltlich hergestellt und unentgeltlich an die LHM übertragen werden. Ebenso sind immer auch die sonstigen Lasten wie bspw. Gutachterkosten oder Ausgleichsmaßnahmen von dem Planungswilligen zu tragen.
2. Individueller Baukasten
Um Planungswilligen eine individuelle Schwerpunktsetzung zu ermöglichen, kann alternativ zu dem Grundmodell ein individuelles Modell gewählt werden. Voraussetzung ist, dass die Mindestpunktzahl von 100 erreicht wird. Diese 100 Punkte können aus einer Kombination an verschiedenen Verpflichtungen bestehen.
Zunächst können die Grundbausteine nach dem Grundmodell gewählt werden:
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Förderquote
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Aufteilungsverbot/ -beschränkung
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Bindungsdauer
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Sozialer Infrastrukturkostenbeitrag
Je nach quotalem Anteil, Dauer oder Höhe können verschiedene Punktzahlen erreicht werden (siehe Überblickstabelle unten).
Zudem stehen zwei Sonderbausteine zur Verfügung:
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Verkauf an die LHM
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Verkauf an Genossenschaften mit Konzeptvergabe
Auch hier können je nach Höhe des Prozentanteils der verkauften Wohnungen verschiedene Punktzahlen erreicht werden. Die Wahl der Bausteine steht dem Planungswilligen frei, solange die Mindestpunktzahl erreicht wird. Bei den Sonderbausteinen muss die LHM dem Verkauf jedoch zunächst zustimmen.
Sollte die LHM einen Ankauf ablehnen, ist ein Sonderverfahren vorgesehen. Dieses verpflichtet die Planungswilligen, die der LHM zum Kauf angebotenen Anteile Genossenschaften zum Kauf anzubieten. Kommt so ein Kauf zustande, erhält der Planungswillige die Punktzahl, als hätte er an die LHM verkauft. Kommt kein Kauf zustande, erhält der Planungswillige die Punkte aus Gründen der Planungssicherheit dennoch.
Zusammengefasst werden die jeweils zu erreichenden Punkte für Grund- und Sonderbausteine in dieser Übersicht (Übersicht im Großformat als Anlage 6 hier).
Gelb hinterlegt sind die in dem Grundmodell enthaltenen Grundbausteine.
3. Die Bausteine im Einzelnen
a. Grundbaustein 1: Die Förderquote
Bislang war es möglich, anstelle geförderten Wohnraums nach dem Münchener Modell-Miete förderfähige Eigentumswohnungen (Münchner Modell-Eigentum) zu schaffen. Diese Möglichkeit wird nunmehr aufgegeben.
Die Erstvermietungsmieten wurden erhöht:
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Einkommensorientierte Förderung (EOF): von 9,60 auf 10,00 EUR/m²
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Münchner Modell-Miete (MM-Miete): von 11,00 auf 11,50 EUR/m²
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Preisgedämpfter Mietwohnungsbau (PMB): von 13,90 auf 14,50 EUR/m²
Die Bedingungen für PMB wurden ebenfalls angepasst:
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Keine Erhöhung der Erstvermietungsmiete für 5 Jahre nach Erstbezug
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Mietanpassung (frühestens im 6. Jahr) nach Verbraucherindex, max. bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete
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40 Jahre Bindungsdauer
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Keine Eigenbedarfskündigung für gesamte Bindungsdauer
b. Grundbaustein 2: Aufteilungsverbot- bzw. -beschränkung
Die Quote des Aufteilungsverbots bzw. -beschränkung muss mindestens der Förderquote nach Grundbaustein 1 entsprechen.
Wenn ein Vorhaben verschiedene Nutzungen wie bspw. frei finanzierte und geförderte Mietwohnungen, gewerbliche Nutzung (z. B. Supermarkt oder Büros) und soziale Infrastruktur (z. B. Kita) in einem Gebäude enthält, ist kein striktes Aufteilungsverbot vorgesehen. Vielmehr erfolgt eine Aufteilungsbeschränkung in der Art, dass eine Aufteilung nur in Pakete zugelassen wird, welche die verschiedenen Nutzungen umfassen. So wäre eine WEG-Teilung derart zulässig, dass sämtlicher geförderter Wohnraum eine Einheit bildet, der frei finanzierte Wohnraum eine weitere und die Kita sowie die Büros jeweils als eine weitere Einheit aufgeteilt werden.
Da das Aufteilungsverbot bzw. -beschränkung als solche nur schuldrechtlich gesichert werden kann, wird die schuldrechtliche Vereinbarung nebst Vertragsstrafe ggf. durch ein im Grundbuch eingetragenes Belegungsrecht als persönlich beschränkte Dienstbarkeit oder eine Auflassungsvormerkung für die LHM gesichert.
c. Grundbaustein 3: Die Bindungsdauer
Die Dauer ist festgelegt, es besteht keine Auswahlmöglichkeit und ist somit Grundvoraussetzung für jeden SoBoN-Baukasten.
Die Bindung bezieht sich sowohl auf den Grundbaustein 1 als auch den Grundbaustein 2, beträgt künftig einheitlich für alle Förderarten 40 Jahre und schließt Eigenbedarfskündigungen für die gesamte Bindung aus.
d. Grundbaustein 4: Sozialer Infrastrukturkostenbeitrag
Der soziale Infrastrukturkostenbeitrag kann der Höhe nach von mind. 100 EUR/m² bis max. 250 EUR/m² Geschossfläche gewählt werden, solange die gewählte Höhe im konkreten Bebauungsplanverfahren ursächlich ist. Alternativ kann die sog. Spitzabrechnung gewählt werden (Übernahme der tatsächlich anfallenden Kosten); diese wird so bepunktet, als hätte der Planungswillige den 100 EUR-Baustein gewählt.
Künftig können auch Nachbarschaftstreffs als ursächlicher Bedarf eingerechnet werde, um gerade in größeren Neubaugebieten soziale Strukturen zu schaffen.
e. Sonderbaustein 1: Verkauf an die LHM
Als Sonderbaustein kommt der Verkauf überplanter, aber unbebauter Geschossfläche Wohnen im Plangebiet in Betracht. Zunächst kauft die LHM Flächen, welche nach EOF und MM-Miete gefördert werden, erst subsidiär PMB-Flächen. Es muss eine Mindestankaufsgröße von 2.500 m² angeboten werden, um diesen Sonderbaustein zu wählen.
Der Verkauf erfolgt erschließungskostenfrei (hinsichtlich sozialer, technischer sowie grüner Infrastruktur) zu
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EOF 375 EUR/m²
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MM-Miete 675 EUR/m²
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PMB 1.200 EUR/m².
Sofern im Einzelfall fertig gestellte Wohnflächen verkauft werden, wird der Kaufpreis verhandelt.
f. Sonderbaustein 2: Verkauf an Genossenschaften
Der Verkauf an Genossenschaften bzw. Mietshäuser-Syndikate wird geringer bepunktet als der Verkauf an die LHM direkt. Zudem müssen die Genossenschaften zusätzlich eine quartiersfördernde Maßnahme erbringen (bspw. ein Quartierscafé) und sich den Regelungen des städtebaulichen Vertrages unterwerfen.
III. Ausblick
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Anwendungszeitpunkt: Die SoBoN 2021 gilt seit dem Stadtratsbeschluss für alle neu einzuleitenden Bebauungsplanverfahren. Für Verfahren, in denen zum 28.07.2021 bereits ein Aufstellungsbeschluss gefasst war, kommt die SoBoN 2017 zum Tragen. Für Übergangsfälle, bei denen zum Mai 2020 (Bekanntgabe Novellierungsabsicht) eine Grundzustimmung aller Planungsbeteiligten vorlag, wird eine SoBoN 2017-PLUS angewandt.
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Vorkaufsrechte: Sofern ein städtebaulicher Vertrag nach den Grundsätzen der SoBoN 2021 abgeschlossen wurde, werden keine zusätzlichen Bindungen durch eine Abwendungserklärung im Rahmen von Vorkaufsrechten in Erhaltungssatzungen auferlegt werden.
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„Gewerbe-SoBoN“: 2022 wird dem Stadtrat eine Vorlage zur Schaffung einer „Gewerbe-SoBoN“ vorgelegt werden. Zwar gilt die SoBoN in der jetzigen Fassung auch für Gewerbebebauungspläne, jedoch schaffen diese meist kein Wohnbaurecht, sodass die Regelungen zu gefördertem Wohnbau entfallen. Die Einführung einer Gewerbe-SoBoN soll auf das Gewerbebaurecht zugeschnitten sein.
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Klimafahrplan: Das Ziel, die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen und nachhaltige Stadtplanung zu verfolgen, rückt immer weiter in den Fokus. Am 07.07.2021 wurde ein Grundsatzbeschluss „Klimaneutrales München bis 2035“ zur Vorberatung vorgelegt, welcher einen Klimafahrplan für die Bebauungsplanung beinhaltet. Der Klimafahrplan soll festlegen, wie das Thema Klimaschutz und Klimaanpassung in die kommunale Bauleitplanung integriert werden kann (u. a. Reduktion CO2-Emissionen der Bebauung, Energiekonzepte sowie deren Regelungsinstrumente).
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40%- Beschluss: Neues Wohnbaurecht kann sich nicht nur durch neue Bebauungspläne, sondern auch in Form zusätzlicher Bebauungsmöglichkeiten ergeben, wenn eine Befreiung von den Festsetzungen eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes erteilt wird. Wird durch eine solche Befreiung zusätzliches Wohnbaurecht geschaffen, gilt unabhängig von der SoBoN eine Förderquote von 40 % im Neubau (sog. 40 %-Beschluss im Rahmen des Handlungsprogramms „Wohnen in München VI“). Die hier bisher geltenden Grundstückswertansätze, Bindungsdauern und Erstvermietungsmieten werden entsprechend der SoBoN 2021 angepasst werden.