Immobilien- & Baurecht
Die neue HOAI "2021"
Vor einem Jahr hat der Gesetzgeber die Neufassung des ArchLG und der HOAI nach einem vergleichsweise kurzen Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht. Am 01.01.2021 ist die geänderte HOAI in Kraft getreten.
Damit hat der Gesetzgeber insbesondere auf die Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17) reagiert. In dieser Entscheidung hatte der EuGH die HOAI in der bisherigen Fassung vom 10.07.2013 als unvereinbar mit der – vom bundesdeutschen Gesetzgeber eigentlich bis 28.12.2009 in nationales Recht umzusetzenden – EU-Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) vom 12.12.2006 angesehen.
Wichtigste Änderung: Als „Taxe“ im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB kommt die HOAI mit ihren Basishonorarsätzen (anstatt den bisherigen Mindesthonorarsätzen) ab dem 01.01.2021 nur noch zur Anwendung, wenn die Parteien keine Vereinbarung über die Höhe des Honorars in Textform getroffen haben. Für alle ab dem 01.01.2021 abgeschlossenen Verträge bestehen mit dem Inkrafttreten keine Rechtsunsicherheiten mehr.
Rechtsunsicherheiten bestanden für solche „Alt-“Verträge, die die Parteien im Zeitraum zwischen dem 28.12.2009 und dem 31.12.2020 geschlossen hatten.
Ob für diese Verträge die alte Fassung der HOAI weiter anzuwenden ist oder ob der EU- Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) unmittelbare Wirkung zukommt, hat der EuGH nunmehr am 18.01.2022 in dem Verfahren C-261/20 entschieden.
Der Generalanwalt beim EuGH hatte die dem EuGH vom BGH vorgelegten Fragen (Beschl. v. 14.05.2020 – VII ZR 174/19) im Jahre 2021 noch dahingehend beantwortet, dass der EU- Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) unmittelbare Wirkung zukomme. Das hätte im Ergebnis zur Folge, dass die maßgeblichen Bestimmungen der HOAI 2009 und 2013 zu den Mindestsätzen auch für die vor dem 01.01.2021 geschlossenen Verträge rückwirkend nicht mehr anzuwenden sind und Architekten und Ingenieure bei Mindestsatzunterschreitungen vom Besteller kein Honorar mehr in Höhe der Mindestsätze (nach-)verlangen können.
Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung C-261/20 vom 18.01.2021 den Schlussanträgen des Generalanwalts beim EuGH nicht angeschlossen. Nach dem EuGH ist ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen, danach nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet, eine nationale Regelung – hier die HOAI 2009 bzw. 2013 - unangewendet zu lassen, die unter Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie Mindesthonorare für die Leistungen von Architekten und Ingenieuren festsetzt und die Unwirksamkeit von Vereinbarungen vorsieht, die von dieser Regelung abweichen.
Zwar habe – so der EUGH – ein Mitgliedstaat die Maßnahmen zu ergreifen und alle Bestimmungen zu erlassen, um die volle Geltung des Unionsrechts zu erleichtern, und dabei erforderlichenfalls eine gegen das Unionsrecht verstoßende nationale Bestimmung unangewendet zu lassen. Dennoch ergeben sich aus den Urteilen des EuGH in denen solche Verstöße durch Mitgliedsstaaten der EU gegen EU-Recht festgestellt werden, vor allem die Festlegung der Aufgaben der Mitgliedstaaten im Fall der Verletzung ihrer Pflichten. Folglich verleihe auch die Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17) dem Einzelnen keine unmittelbaren Rechte.
Die durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigte Partei könne sich aber auf die Rechtsprechung des EuGH berufen, um gegebenenfalls Ersatz eines durch diese Unvereinbarkeit entstandenen Schadens zu erlangen, der ihm durch die Nichtbeachtung des Unionsrechts durch den Mitgliedsstaat entstehe oder entstanden ist.
Das hat zur Folge, dass sich nunmehr der BGH wieder mit der Angelegenheit zu befassen hat. Da der BGH bereits im Vorlageverfahren zum EuGH zu einem Vorrang der nationalen Regelung tendierte, ist zu erwarten, dass die maßgeblichen Bestimmungen der HOAI 2009 und 2013 zu den Mindestsätzen auch für die vor dem 01.01.2021 geschlossenen Verträge weiterhin als anwendbar angesehen werden, mit der Folge, dass Architekten und Ingenieure bei Mindestsatzunterschreitungen vom Besteller Honorar in Höhe der Mindestsätze bei bis zum 31.12.2020 abgeschlossene Verträge (nach-)verlangen können und dem durch die fehlende Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) vom 12.12.2006 in der Folge geschädigten Besteller seinerseits ein Schadensersatz gegen die BR Deutschland zustehen wird.
Für Ihre Arbeit mit der neuen „HOAI 2021“ haben wir den Text in der neuen Fassung und eine Synopse, mit deren Hilfe Sie die Änderungen der HOAI gegenüber der alten Fassung schnell erkennen können, erstellt.
Wir wünschen Ihnen bei der Arbeit mit der neuen HOAI „2021“ viel Erfolg!