Immobilien- & Baurecht
Der Architekt übernimmt die Baukosten – Zur Verantwortlichkeit und Haftung des Architekten bei fehlerhafter Prognose über die Baukosten
Die (zu erwartenden) Baukosten sind für den Bauherrn (insbesondere den privaten) von ganz entscheidender Bedeutung.
Höchst ärgerlich ist es, wenn sich der Architekt irrt und der Bauherr hinsichtlich der – tatsächlich aufgewendeten – Baukosten weit über dem Betrag „landet“, den der Architekt in der Planungsphase genannt hatte.
Der Gedanke, dass der Architekt im Wege der Differenzhaftung für diese zusätzlichen Kosten in Anspruch genommen wird, ist in dieser Konstellation mehr als naheliegend.
Dass dies alles andere als einfach ist, hat das Oberlandesgericht Hamm in einem aktuellen Beschluss nochmals klargestellt.
I. Baukostengarantie, Kostenobergrenze und Kostenrahmen
Grundsätzlich sind drei abgestufte Möglichkeiten der Aussagen des Architekten über die voraussichtlich aufzuwendenden Baukosten von der Literatur und Rechtsprechung herausgebildet und anerkannt.
1. Baukostengarantie
Der Architekt kann eine ausdrückliche Garantie (Baukostengarantie oder auch Bausummengarantie) vereinbaren bzw. übernehmen.
Ein solches Garantieversprechen wird nur in ganz seltenen Ausnahmefällen vorliegen.
In aller Regel will der Architekt keine Garantie für die Einhaltung der Kosten einer fremden Leistung übernehmen. Hierfür spricht auch, dass die Berufshaftpflichtversicherung des Architekten für ein solches Garantieversprechen nicht eintritt; der Architekt handelt im Zusammenhang mit der Abgabe eines solchen Garantieversprechens auf eigenes (unversichertes!) Risiko.
2. Kostenobergrenze
Die Parteien können eine Kostenobergrenze vereinbaren.
Wenn eine solche vereinbart wird, dann liegt insoweit eine Beschaffenheitsvereinbarung des Architektenwerks vor.
Eine Überschreitung der Kostenobergrenze bedeutet dann in aller Regel eine Pflichtverletzung des Architekten, so dass der Architekt (wenn insoweit ein Verschulden vorliegt) haftet und grundsätzlich zum Schadensersatz gegenüber dem Bauherrn verpflichtet ist.
Problematisch ist insoweit der Schaden.
Dies deshalb, da der BGH in ständiger Rechtsprechung einen Schaden in zusätzlichen Baukosten – bei Überschreitung einer vereinbarten Kostenobergrenze – zwar grundsätzlich anerkennt, aber den Grundsatz der Vorteilsausgleichung heranzieht.
Hiervon ausgehend attestiert die Rechtsprechung, dass der Bauherr insoweit keinen Schaden erleidet, als der zu seinen Lasten gehende Mehraufwand zu einer Wertsteigerung des Objektes geführt hat.
Trotz Kritik in der Literatur hält die Rechtsprechung an dieser grundsätzlichen Konstruktion fest und lässt insbesondere den Einwand, dass sich die aufgewendeten Baukosten nicht 1:1 im Wert des Gebäudes niederschlagen, nicht gelten.
3. Kostenrahmen
Für einen vereinbarten Kostenrahmen gilt das unter Ziffer 2. Ausgeführte entsprechend mit der Maßgabe, dass dem Architekten eine gewisse Toleranzgrenze zugutekommt.
II. Beschluss des OLG Hamm vom 17.09.2020
Das Oberlandesgericht Hamm bestätigt in seinem Beschluss vom 17.09.2020 (17 U 75/19) diese vorstehend dargestellten Grundsätze und Differenzierungen.
Die Kostenvorstellungen des Auftraggebers sind für den Architekten grundsätzlich beachtlich.
Aus diesem Grundsatz folgt indes nicht, dass durch jede Kostenvorstellung des Auftraggebers letztlich eine Garantiehaftung des Architekten begründet würde.
In der Regel umfasst eine feste Kostenobergrenze nur die Baukosten, auf die der Architekt auch tatsächlich Einfluss nehmen kann.
Diese Grundsätze finden sich in folgenden Leitsätzen des Beschlusses wieder.
1. Nicht jede Erklärung des bauleitenden Architekten, eine bestimmte Bausumme werde eingehalten, kann als Übernahme einer Baukostengarantie ausgelegt werden.
2. Aufgrund der weitreichenden Folgen einer Baukostengarantie sind an eine entsprechende Erklärung hohe Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist, dass der Architekt zum Ausdruck bringt, dass er für die Einhaltung der genannten Bausumme persönlich einstehen will.
3. Nicht jede Abweichung von den in den Kostenermittlungen des Architekten enthaltenen Zahlen führt zu einer Haftung unter dem Gesichtspunkt der Baukostenüberschreitung.
4. Eine Haftung wegen Überschreitung der Baukosten kommt in Betracht, wenn der Architekt die Kostenermittlung mangelhaft ausgeführt hat und der ihm dabei zustehende Toleranzrahmen überschritten wurde.
5. Die dem Architekten zu gewährende Toleranzgrenze kann nicht mit einem festen Prozentsatz angegeben werden. Maßgeblich ist, um welche Kostenermittlungen es sich handelt. In Abhängigkeit vom Genauigkeitsgrad der Kostenermittlung verringert sich auch die Toleranz.
6. Im Rahmen der Kostenschätzung wird dem Architekten regelmäßig eine Toleranz von 30 bis 40 % einzuräumen sein, im Rahmen der Kostenberechnung von 20 bis 25 % und im Rahmen des Kostenanschlags von 10 bis 15 %.
7. Die Verjährungsfrist werkvertraglicher Gewährleistungsansprüche gegen den Architekten beträgt fünf Jahre und beginnt grundsätzlich mit der Abnahme des Werks. Etwas anderes gilt, wenn der Auftraggeber die Abnahme ernsthaft und endgültig verweigert. Dann ist für den Beginn der Verjährung der Zeitpunkt der endgültigen Ablehnung der Leistung maßgebend, was bei einer Kündigung des Architektenvertrags regelmäßig der Fall ist.
III. Bewertung
Die Entscheidung des OLG Hamm ist zutreffend und zu begrüßen.
Eine Baukostengarantie ist tatsächlich etwas so Ungewöhnliches, dass sie nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen angenommen werden kann.
Aufgrund der hier vorliegenden besonderen Konstellation hatte das OLG Hamm keine Veranlassung, sich zu dem oben dargestellten problematischen Schadensbegriff zu äußern, wenn die Parteien eine Baukostenobergrenzen vereinbart haben.