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Das Urheberrecht als Nutzungshindernis bei Fotografien alltäglicher Gebrauchsgegenstände – Wann ich meine Fototapete im Internet zeigen darf
Das Verhältnis zwischen Urheberrecht und Sacheigentum ist mitunter komplex. Immer wieder zeigen sich Fälle, in denen gutgläubige Nutzer einer Sache mit überraschenden Ansprüchen konfrontiert werden. Dieser Beitrag soll für Risiken sensibilisieren und neue Lösungswege aufzeigen, die auch nach Erhalt einer Abmahnung noch einen Ausweg bieten. Wer ihn gelesen hat, wird danach gelernt haben,
1.) wieso das Urheberrecht die freie Benutzbarkeit alltäglicher Gebrauchsgegenstände beschränken kann;
2.) dass diese Beschränkung insbesondere für Medienagenturen, Hotels, Künstler sowie bestimmte Online-Plattformbetreiber relevant ist;
3.) dass insbesondere die Einbindung alltäglicher Gebrauchsgegenstände in online veröffentlichte Fotografien bei konservativer Auslegung des Urheberrechts ein erhebliches Risiko bergen kann. Das gilt zum Beispiel für aufwendig designte Stücke wie Möbel, Poster, Uhren, und Schuhe;
4.) dass aktuelle Abmahnfälle und Gerichtsurteile zeigen, dass dieses Risiko nicht nur abstrakter Natur ist, sondern Urheber ihre Ansprüche aktiv geltend machen;
5.) dass es bei zeitgemäßer Auslegung der urheberrechtlichen Schrankenregelungen naheliegt, diese Ansprüche in vielen Fällen abzulehnen.
I. Kollision zwischen Urheberrecht und freier Benutzung von Alltagsgegenständen
Mein Eigentum – meine Sache, wie ich damit umgehe. So sagt es das Bauchgefühl. Auch das Gesetz stimmt mit diesem Bauchgefühl grundsätzlich überein (§ 903 S. 1 BGB).
Etwas anderes sagt dagegen das Urheberrecht mit der auf den ersten Blick schwer verständlichen Regelung des § 44 Abs. 1 UrhG:
„Veräußert der Urheber das Original des Werkes so räumt er damit im Zweifel dem Erwerber ein Nutzungsrecht nicht ein“
Was hiermit gemeint ist: in einem Gegenstand kann zugleich die Verkörperung einer urheberrechtlich geschützten, geistigen Leistung liegen. So ist zum Beispiel ein Möbelstück die Verkörperung der dahinterstehenden Design-Entwicklung. Gleiches kann für ein Paar Schuhe oder eine Uhr gelten. Oder aber für eine Fotografie, die z.B. auf einem Poster oder einer Tapete abgedruckt ist. All diesen Fällen ist gemeinsam, dass eine Nutzung des Gegenstands zugleich eine Nutzung der möglicherweise urheberrechtlich geschützten Leistung ist. Bestimmte, auf diese geschützte Leistung bezogene Nutzungshandlungen sind allerdings gemäß § 15 UrhG zunächst ausschließlich dem Urheber vorbehalten. Hierzu gehören beispielsweise die Handlung der öffentlichen Zugänglichmachung, welche grundsätzlich mit dem Upload der Fotografie dieser Leistung im Internet erfüllt ist, sofern hiermit Dritten die Möglichkeit des Abrufs der Fotografie eröffnet wird.
Mit diesem Verständnis lässt sich der Grundgedanke des § 44 Abs. 1 UrhG besser verstehen: zwar steht dem Eigentümer einer Sache grundsätzlich frei, hiermit zu verfahren, wie es ihm beliebt. Die Grenze ist allerdings dort erreicht, wo der Eigentümer eine Nutzungshandlung der in der Sache verkörperten, urheberrechtlich geschützten Leistung vornehmen würde. § 44 Abs. 1 UrhG stellt klar, dass der bloße Umstand des Eigentumserwerbs nicht bedeutet, die in diesem Gegenstand verkörperten Urheberrechte nicht beachten zu müssen.
II. Praktische Auswirkung: Der „Fototapeten-Fall“
Vor allem im Bereich der Internet-Nutzung kann diese Gesetzeslage zu meistens unerkannten Rechtsrisiken führen, die erst nach Zugang einer Abmahnung erkannt werden. Als Beispiel sei ein aktueller Fall aus dem Tagesgeschäft zusammengefasst, der ausweislich einer kurzen Google-Recherche und der aktuellen Presseberichterstattung bei weitem nicht nur Einzelfälle betrifft. Dieser – unter dem Arbeitstitel „Fototapeten-Fall“ laufende – Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Das abgemahnte Unternehmen hat die Fotografie eines Raumes (z.B. eines Hotelzimmers) auf einer Website hochgeladen.
- An der Wand dieses Raumes befindet sich mutmaßlich eine Fototapete, auf der das Foto einer beliebig erscheinenden Steinmauer abgebildet ist.
- Nunmehr wendet sich der Fotograf der Steinmauer per Abmahnung an das Unternehmen. Der Vorwurf: durch die Online-Veröffentlichung einer Fotografie des Raums sei in seine urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der Fotografie der Steinmauer eingegriffen worden, da eben auch diese Fotografie in Gestalt der Fototapete mit veröffentlicht worden sei.
Da mit dem Upload einer Fotografie der Fototapete tatsächlich trotz der Eigentümerstellung eine Urheberrechtsverletzung droht, stehen dem abgemahnten Unternehmen lediglich zwei Möglichkeiten der Rechtsverteidigung offen: das Bestehen vertraglicher Nutzungsrechte oder aber das Eingreifen einer gesetzlichen Erlaubnis für die Handlung.
Der Erwerber eines Alltagsgegenstands wird sich in den seltensten Fällen Gedanken über urheberrechtliche Nutzungsrechte hieran machen – die Einräumung vertraglicher Nutzungsrechte wird damit häufig auf Grundlage der sog. Zweckübertragungstheorie ausgeschlossen – abweichende Einzelfälle vorbehalten.
Ein Blick auf die gesetzliche Lage zeigt, dass das Urheberrechtsgesetz hier – polemisch gesprochen –nicht mehr zeitgemäß ist.
Die Vornahme von Nutzungshandlungen mit einem im Eigentum stehenden Alltagsgegenstand wird zwar grundsätzlich über die sog. „Erschöpfung“ des § 17 Abs. 2 UrhG erfasst. Einem Verkauf, Verleih oder einer Schenkung eines Alltagsgegenstands, der eine urheberrechtlich geschützte Leistung enthält, kann sich der Urheber nicht entgegenstellen. Diese gesetzliche Regelung soll die Verkehrsfähigkeit von Gegenständen sicherstellen. Allerdings greift die Erschöpfung grundsätzlich nur in Bezug auf analoge, körperliche Nutzungshandlungen.
Eine „Online-Erschöpfung“ kennt das deutsche Urheberrecht gerade nicht. Das mag man ungerecht, nicht mehr zeitgemäß oder unangemessen finden. Es ändert allerdings nichts daran, dass das Gesetz den Gedanken der „Online-Verkehrsfähigkeit“, also des risikolosen Uploads von Fotografien, die Alltagsgegenstände beinhalten, nicht kennt.
Der zweite, sich aufdrängende Gedanke ist der Umstand, dass die hochgeladene Fotografie häufig nicht gewollt auf den abgebildeten, urheberrechtlich geschützten Gegenstand gerichtet ist. In vielen Fällen wird dieser lediglich „mit-veröffentlicht“. Dieser Gedanke findet sich in der gesetzlichen Regelung des § 57 UrhG: erlaubt sind demnach Nutzungshandlungen urheberrechtlich geschützter Werke, wenn diese Werke als unwesentliches Beiwerk der eigentlichen Nutzungshandlung zu sehen sind. Das könnte auf den ersten Blick passen: die eigentliche Nutzungshandlung betrifft die Fotografie eines Raumes, während die Nutzungshandlung der Fotografie der Steinmauer lediglich beiläufig erfolgt. Doch auch hier scheint das Gesetz nicht final weiterzuhelfen: anknüpfend an ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2014 gehen einige Gerichte wenig einzelfallbezogen davon aus, dass die Regelung des § 57 UrhG nur in sehr engen Ausnahmefällen greifen soll, um einen möglichst hohen Schutz des Urhebers zu gewährleisten. Bilder oder Kunstwerke, die den Gesamteindruck, der von dem fotografierten Raum ausgeht, irgendwie erkennbar prägen, wären nach dieser Auslegung von der Schranke ausgeschlossen. Der gesetzliche Schutzbereich der im Urheberrecht vorgesehenen Schranke des „Beiwerks“ wird damit zunehmend entwertet, sein Anwendungsbereich geht gegen Null.
Mit Blick auf diese Gerichtsurteile wähnt sich der abmahnende Fotograf also auf der rechtlich sicheren Seite und tritt entsprechend selbstbewusst auf.
III. Verteidigungsstrategie
Also ein klarer Fall? Bei genauerer, rechtlicher Betrachtung sicher nicht. Mit zeitgemäßer Auslegung der urheberrechtlichen Schrankenregelungen lässt sich den Ansprüchen der Fotografen eine Position entgegensetzen, die nachfolgend kurz skizziert sei:
- Im Zeitpunkt des Präzedenzfalles des BGH aus dem Jahr 2014 war das generelle Verständnis urheberrechtlicher Schrankenregelungen noch äußerst „urheberfreundlich“: Gesetzliche Schranken des Urheberrechts seien generell „eng auszulegen“ und müssen im Zweifel dem Interesse der Urheber an der wirtschaftlichen Beteiligung ihrer Werknutzung nachgehen.
- Mit fortschreitender Entwicklung der Vielfalt kreativer Inhalte (Stichwort: User Generated Content) und ihrer Verbreitungswege über das Internet steigt das Bedürfnis an einer zeitgemäßen Auslegung der Schrankenregelungen. Das Urheberrecht soll selbstredend nach wie vor einen starken Schutz für Künstler, Autoren, Wissenschaftler und andere, geistig tätige Personen bieten. Zugleich sollten aber die Interessen der Allgemeinheit an einer risikofreien, naheliegenden Nutzung des Gegenstands gewahrt bleiben.
- Die Vorgaben der aktuelleren Rechtsprechung des BGH greifen dieses Bedürfnis der stärkeren Berücksichtigung legitimer Interessen an einer freien Werknutzung sinngemäß auf: die Auslegung urheberrechtlicher Schrankenregelungen erfolgt nicht mehr vor dem Dogma des pauschalen Vorrangs der Interessen der Urheber. Es soll viel mehr darum gehen,
„dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren“
- Dieses neue Verständnis der Schrankenregelungen kann zu einer deutlich ausdifferenzierteren und praxistauglichen Auslegung führen – einschließlich der Berücksichtigung einer „Online-Verkehrsfähigkeit“ von Alltagsgegenständen. Jeweils im Einzelfall bei der Online-Veröffentlichung einer Fotografie, die ggf. urheberrechtlich geschützte Gegenstände enthält, tangierte Interessen lassen sich so auf eine juristisch saubere Art und Weise in Einklang bringen. Insbesondere die folgenden Argumente sollten bei der Auslegung der Begriffe „unwesentlich“ und „Beiwerk“ berücksichtigt werden:
(1) Handelt es sich bei dem Gegenstand um ein aufwendig und künstlerisch designtes Stück, oder um einen eher banalen, alltäglich genutzten Gegenstand?
(2) Durfte der Urheber damit rechnen, dass die normale Nutzung und Präsentation des Gegenstands sich im reinen Offline-Bereich aufhält oder ist eine Veröffentlichung von Fotografien des Gegenstands im Internet praktisch unumgänglich?
(3) Hat der konkrete Gegenstand tatsächlich eine unmittelbar erkennbare, prägende Wirkung auf die veröffentlichte Fotografie oder erscheint er als austauschbares Objekt, eben als „Beiwerk“ im Sinne des Urheberrechts?
All diese Wertungen können im Fall einer Fototapete dafürsprechen, dass die Veröffentlichung einer Fotografie, auf der diese Tapete zu sehen ist, unter die Schrankenregelung des § 57 UrhG fällt. Das gilt insbesondere dann, wenn das Motiv der Tapete nicht über das Triviale hinausgeht und die Tapete nicht unmittelbar als prägendes Stilmittel dieser Fotografie eingesetzt wird – legitime Interessen des Fotografen, auch an dieser Nutzung noch wirtschaftlich teilhaben zu können, lassen sich nicht erkennen. Diese Wertungen lassen sich zudem auf die einleitend erwähnten Fälle der Abbildung eines Möbelstücks, eines Paars Schuhe oder einer Uhr übertragen.
Es zeigt sich also: die Einbindung von Alltagsgegenständen in per Internet veröffentlichte Fotografien birgt nach wie vor ein Risiko. Bei zeitgemäßer Auslegung der urheberrechtlichen Schrankenregelungen besteht allerdings die Chance, sich auf die gesetzliche Erlaubnis des unwesentlichen Beiwerks gemäß § 57 UrhG zu berufen. Der Fototapeten-Fall ist eine Chance für die Gerichte, die zukünftige Entwicklung des Urheberrechts praxistauglich auszugestalten. Die praktische Relevanz dieser Entwicklung dürfte nicht zu unterschätzen sein: letztlich ist jedes Hotel, das Fotografien seiner Innenräume veröffentlicht, jede Werbeagentur, die sich zur Untermalung ihrer Kampagne fremder Gegenstände bedient und jeder Künstler, der in einem Musikvideo spezielle Sneaker trägt, betroffen – sie alle müssen die Grenzen des Urheberrechts beachten und sind im Falle des Fehlens vertraglicher Nutzungsrechte auf eine Schrankenregelung angewiesen. Die Auseinandersetzung der Gerichte mit dieser Thematik wird mit Spannung zu verfolgen sein – in der Hoffnung, gerechte Ergebnisse zu erzielen.