Arbeitsrecht
Versetzung ins Ausland
Im Zuge der Globalisierung und auch der von Arbeitnehmern eingeforderten Flexibilität in Bezug auf den Arbeitsort stellt sich immer öfter die Frage, ob Arbeitnehmer auch einseitig durch den Arbeitgeber in das Ausland versetzt werden können.
Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage – unter bestimmten Voraussetzungen – jetzt erstmalig bejaht (BAG Urteil vom 30.11.2022, Az.: 5 AZR 226/21).
Die räumliche Reichweite des Direktionsrechts bezieht sich damit aktuell auch auf das europäische Ausland, soweit das (gesetzliche) Direktionsrecht nicht eingeschränkt worden ist und die sonstigen Voraussetzungen, hier: billiges Ermessen, angemessen berücksichtigt wurden.
Der Entscheidung lag die Klage eines Piloten zugrunde, der aufgrund einer Standortschließung am Flughafen Nürnberg (Deutschland) nach Bologna (Italien) versetzt wurde.
Dieser Entscheidung sind folgende Kernaussagen zu entnehmen, die Arbeitgeber zukünftig berücksichtigen müssen:
- Der Arbeitsvertrag oder sonstige kollektive Regelungen, wie Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge oder Gesetze dürfen das Direktionsrecht nach § 106 GewO nicht einschränken. Sollte ein konkreter Arbeitsort vereinbart worden sein, muss sich der Arbeitgeber die Versetzung an einen anderen Arbeitsort im Rahmen einer Versetzungsklausel offen halten. Zukünftig, sofern gewollt oder notwendig, auch explizit europaweit/weltweit.
- Die Versetzung darf nur zu einem identischen Rechtsträger erfolgen. Anderer Gesellschaften im Ausland sind hiervon nicht erfasst und könnten höchsten mit einer Konzernversetzungsklausel in Frage kommen, die jedoch umstritten sind.
- Die Versetzung muss billigem Ermessen entsprechen. Die Ausübung des billigen Ermessens ist durch die Gerichts voll überprüfbar. An dieser Stelle werden sowohl alle Aspekte des Arbeitgeberwunsches auf Versetzung als auch alle Aspekte des Arbeitnehmerwunsches auf Beibehaltung des aktuellen Einsatzortes gewertet und gegeneinander abgewogen. Im vorliegenden Fall wurden sowohl die Standortschließung in Deutschland einerseits und die Tätigkeit als Pilot einer international tätigen Fluggesellschaft mit Sitz im Ausland andererseits zugunsten des Arbeitgebers gewertet.
- Entscheidet sich der Arbeitgeber für eine europaweite/weltweite Versetzung bzw. ist das Direktionsrecht des individuellen Arbeitsvertrags hierfür geeignet, ist noch nicht abschließend geklärt, ob der Arbeitgeber zukünftig bei betriebsbedingten Kündigungen vor Ausspruch einer Kündigung freie Arbeitsplätze im Ausland anbieten bzw. durch Versetzung oder Änderungskündigung einseitig zuweisen muss. Nach dem Wortlaut der Entscheidung ist dies aber durchaus denkbar.
Arbeitgeber müssen daher nach wie vor gut überlegen und sorgsam abwägen, wie weit sie das Direktionsrecht gestalten wollen und die daraus resultierenden Vor- und Nachteile bedenken.