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Aufwandsentschädigung – Sozialversicherungspflicht im Ehrenamt
Die Rechtsprechung der Sozialgerichte geht auch bei ehrenamtlicher, vergüteter Tätigkeit regelmäßig von der Annahme einer abhängigen Beschäftigung aus und konstituiert damit die Sozialversicherungspflicht von Gruppen, die sich bisher nicht in deren Fokus sahen. So wie das Bundessozialgericht praktisch alle Fremdgeschäftsführer von GmbH’s der Sozialversicherungspflicht unterworfen hat (siehe BLOG-Beitrag vom 10.02.2022) gilt dies auch für die Geschäftsführer als Organe oder besondere Beauftragte in den Verbänden. Nun erinnert das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18.04.2024 -S 219 BA 196/20 – an die Risiken ehrenamtlicher Organmitglieder, die eine signifikante Aufwandsentschädigung erhalten, zur Renten- und Arbeitslosenversicherung herangezogen zu werden. Für die Verbände selbst besteht dann die Gefahr, wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen sanktioniert zu werden.
Der Sachverhalt betraf eine ehrenamtlich tätige Vizepräsidentin eines Berufsverbandes, die im Hauptamt als selbständige Rechtsanwältin tätig war. Von 2013 bis 2023 übte sie in dem Verband, dessen Vereinszweck die Wahrung, Pflege und Förderung aller beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsanwaltschaft und des Anwaltsnotariats war, diese Funktion der Interessenvertretung gegenüber EU, Bund und Bundesländern aus. Zusätzlich übernahm sie im Verband die Aufgabe einer Schatzmeisterin. Sie erhielt dafür eine monatliche Entschädigung von EUR 1.500, für einen Zeitraum von mehreren Jahren sogar monatlich EUR 4.000.
In einem Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung (BUND) hatte sie geltend gemacht, dass sie ein Wahlamt innehabe, keine fachlichen Weisungen erhalte, und dass sie bei einer Stundenwoche von 55 – 60 Stunden/Woche nur etwa 20 – 25% ihrer Arbeitszeit für den Verband aufwende. Die DRV (Bund) hatte ihre Tätigkeit als abhängige Beschäftigung eingeordnet; auch der Widerspruch der Rechtsanwältin gegen diese Entscheidung wurde zurückgewiesen.
Nun hat das SG Berlin den Bescheid der DRV (Bund) bestätigt. Es sei eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Geschäftsstelle anzunehmen, auch wenn die Weisungsgebundenheit eingeschränkt sei (sog. „funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess“). Die Tätigkeit habe kein unternehmerisches Risiko verwirklicht. Das Urteil weist unter Hinweis auf die BSG-Entscheidung vom 23.02.2021 – B12 R15/19 R – darauf hin, dass das Wahlamt ihr nicht das Recht verleihe, ihr nicht genehme Beschlüsse des Vorstandes und der Mitgliederversammlung zu verhindern. Die Zahlung eines festen monatlichen Entgelts sei ein objektives Kriterium für die Arbeitnehmereigenschaft.
Als Praxishinweis für ehrenamtlich tätige Mitglieder von Vereins- und Verbandsorganen bleibt festzuhalten, dass jenseits der Ehrenamtspauschale von derzeit EUR 840,00 im Jahr (für deren Zahlung es auch einer satzungsgemäßen Grundlage bedarf) regelmäßig die Sozialversicherungspflicht die unabwendbare Konsequenz ist.